290 The exciting Sound of Pop die Parameter einander wahlweise steuern konnten. Das Moog’sche Konzept ist – von dieser Seite her betrachtet – eher ein Rückschritt als ein Fortschritt. Der scheinbare Fortschritt des Moog’schen Konzepts in der Pop-Musik ist weniger in der Wirkung auf die Ästhetik dieser Musik als auf die Art ihrer Produktion zu sehen. Im Verein mit MIDI wurden Struktur und Klang im kompositorischen Prozess simulierbar und somit vorhörbar. Damit wird jener gestalterische Zufall, der die Grenze des Vorstellbaren markiert, minimiert – was in weiterem Sinne zu einer Veränderung der Ästhetik beiträgt. Als strukturbildendes Element bringt das Studio als Instrument vor allem die Montagetechnik vom Schnitt, dem übereinander lagernden Kopieren wie dem po-lyphonen Setzen im Mehrspurverfahren in die Pop-Musik ein. Diese Techniken implizieren eine Mediatisierung des Musizierens zu einer Gestaltung des Klanges abseits der Instrumentarisierung körperlichen Ausdrucksverhaltens als primäre originäre Musizierform des Pop. Die künstliche Klanggestaltung durch das Studio wie durch die künstliche Klang- Generierung am Synthesizer, die Strukturgestaltung durch Schnitt und Mehrspur- Recording im Studio, die Struktursynthese durch den analogen Sequenzer entfernen die Pop-Musik in ihrem (musikimmanenten) Selbstverständnis wie im Klangbild von der mit ihren Mitteln artikulierten Gegenhaltung und bringt sie der europäischen Kunstmusik näher. Diesem Prozess der Entseelung steht die Rückbesinnung auf die Kraft des Gitarrenklangs im Punk und der Transfer des High-Intensities-Denken entgegen, gepaart mit der para-naturwissenschaftlichen Sicht des New Age, vor allem in der Entwicklung des Techno – die Gegenhaltung lebt in klanglich gewandelter Form weiter, gerade das digitale Klanggebilde hat wiederum das motorisch Aufwiegelnde in sich. 2.6.7 Das Sound-Studio als kompositorisches Instrument Die elektronischen Aufnahmetechnologien, ihre Klang verarbeitenden wie erzeugen-den, vor allem ihre strukturierenden Möglichkeiten, die im Studio als Instrument zum ästhetischen klanglichen und kompositorischen Werkzeug der elektronischen Musik und ihrer Varianten wie von weiten Teilen der ebenso klangbestimmten Pop- Musik wurden, entstanden in hohem Maße aus bzw. im Verein mit der multimedialen Kommunikationstechnologie, sie sind die neuen Kulturtechnologien. Die Aufnahmen der fünfziger Jahre unterschieden sich vom Live-Recording bloß insofern, als die Aufnahmen in einem mehr oder weniger akustisch kontrollierten Environment geschahen und der Zugriff auf die Instrumente durch Multimikrophonie besser war als die monophone, später stereophone Aufzeichnung. Außer der Filterung der mehr oder weniger akustisch getrennten Instrumente, die primär zur Korrektur tontechnischer Fehler, aber nicht zum Zwecke der Schaffung eines künstlichen Klang-charakters eingesetzt wurde, standen Hallräume zur Verfügung, durch die entweder Teile des Programms oder die Summe geschickt wurden. Der den Rock’n’Roll-Sound der fünfziger Jahre bestimmende Effekt ist das Slap-Echo, emotionales Sign der Dancehall auf der Konserve Schallplatte. Es ist dies eine Verzögerung des Signals von etwa 70 bis 90 Millisekunden, ein Bereich, der unmittelbar nach der Grenze der Verschmelzung (etwa 50 msec) zweier zeitversetzter akustischer Signale liegt,