2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 305 Steuerung unterschiedlicher Klangparameter geht vermutlich auf Donald BUCHLA zurück; sie wird in einfacher Weise heute von jedem kommerziellen Synthesizer zur Umsetzung der Anschlagstärke in Dynamik-Werte verwendet. Die zweite große Innovation, hinter der ein anderes ästhetisches Gedankengut steckte als MOOG es hatte, war der Einbau eines Sequenzers, der musikalische Sequenzen erzeugen und zugleich in ihrem klanglichen und strukturellen Aufbau modulieren konnte. Dahinter lässt sich kompositorisches Denken vermuten, das durch die Reihentechnik, zumindest die Process-Music der sechziger Jahre angeregt sein dürfte, zumindest gedankliche Nähe dazu aufweist. BUCHLA, der sich als In-strumentenbauer sieht und dessen Intention es ist, ein Instrumentarium für Musik zu erzeugen, dessen elektronisches Innenleben stets nur Mittel zur Realisierung musikalischer Ideen ist, liefert insofern selbst dafür Hinweise, als er in seiner Innova-tion die elektronische Alternative zum mühseligen und aufwendigen Generieren von Abfolgen durch das Aneinanderfügen von Bandeinheiten sah; eine Methodik, die als musikalische Verarbeitung zur Struktur- und Klangerzeugung in der musique concrète ebenso heimisch ist wie in der elektronischen Musik. Die Reduktion seriell gesteuerter Hüllkurvengeneratoren aus den großen Studios elektronischer und elektroakustischer Musik ins Taschenformat und ihre kommerzi-elle Verfügbarkeit initiierte im analogen Bereich zuerst KORG mit dem Sequenzer, bald danach wurde mit dem digital gesteuerten Hardware-Sequenzer und dem Software-Sequenzer die Speicherung ungleich längerer Sequences möglich; der ästhe-tische Einsatz von Sequence-Loops wurde mehr und mehr durch die Einspielung von formalen Liedteilen bzw. ganzer Songs verdrängt. Dennoch, mit der Verfüg-barkeit kommerzieller Sequenzer dringt patternorientiertes Komponieren in die Pop-, vor allem in die Disco-Music und die avantgardistischen Formen im Vorfeld des Synthie-Pop und der Neuen Deutschen Welle ein. Diese maschinelle Musik von Kraftwerk, die dann Jahre später in Detroit von Musikern rezipiert wird, die daraus eigenständige Musik kreieren, wandert als house nach Deutschland zurück und erstarkt dort als Techno: Patternorientiertes Komponieren wird nun mit den Möglichkeiten der digitalen Klangspeicherung und -verarbeitung gemacht. Pattern-Structuring ist eine Art der Process-Music. Das strukturelle komposi-torische Denken der Process-Music trat im britischen Raum bereits als »andere Avantgarde« (HOFFMANN 2002) mit der Pop-Musik selbst auf. Brian Eno wechselte von der aufgrund ihrer Außenseiterposition in der Pop-Umgebung angesiedelten elektronischen Minimal Music mehr und mehr in die Pop-Welt selbst; er arbeitete mit gegenseitig gesteuerten Strukturkaskaden auf den Produkten der Avantgarde- Pop Gruppe Roxy Music und erarbeitete mit Robert Fripp von King Crimson das Frippertronic: Beide spielten eine Vielzahl von Platten mit elektronisch geregelter Strukturgenerierung ein. In Amerika fand Process-Music in den live elektronischen Arbeiten ihr Vorbild und führte als Kompositionshaltung zum Konzept der Minimal Music – auch dies geschah außerhalb der musikalischen Avantgarde, deren Vorstellung von prozessualer Musik auf dem algorithmischen Reihendenken und, an das linguistische Denken angelehnt, dem Bedeutung erzeugenden Ordnen nach grammatikalischen Strukturen beruhte. Steve Reich nennt den Transfer der Erfahrungen mit den Tonbandschleifen in elektroakustischen Studios auf das schleifenbildende strukturierende Denken der