2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 325 Selbsteinschätzung der Jugendkultur angesagt ist und mehr als Ausdruck von Suche aus moderner Fortschritts-Haltung, denn als rekontextualisierende Variation oder einfach nur Spiel mit dem Vorhandenen aus postmoderne Ideologie zu werten ist. Das wirtschaftlich und psychologisch verfügbare Produktions-Tool Computer schürt den Schein eines sozialen und politischen Turn: Die massenhafte Verfügbarkeit von subkulturellem Gehabe, eine neue Art des Mainstream der Minderheiten (HOLERT & TERKESSIDIS 1996). Hypeness ist sein Lebenselixir; historische Herleitungen, wissenschaftliche Unter-mauerung und Kunstanspruch sind seinem Selbstverständnis fremd, Techno erfindet sich im großen Stile selbst: Techno nennt sich selbst elektronische Musik, die Elektro-nische Musik reiht Techno adäquaterweise in die digital Musics:52 Das digitale Studio im Taschenformat wurde zum Instrument für isoliert arbeitende Einzelmusiker, die ihre vorläufigen Produkte dann der Kommunikation im Net und damit weiteren Strukturierungen überlassen. Mit dieser Demokratisierung/Horizontalisierung der musikalischen Gestaltung löst sich die Vorstellung von Schöpfer und Werk. Techno hält sich damit für die Kulmination der selbstorganisierten Jugendkultur. Innerhalb der avantgardistischen Pop-Genres mutiert der Computer zum musikali-schen Kommunikationsmittel, die eine strukturelle Verschmelzung mit dem Musiker erlauben. Les Pauls tonhöhen- und klangmodulierendes Spiel mit der elektroma-gnetischen Zwischenspeicherung, Enos und Fripps Frippertronic, die Bandmusik von Steve Reich und Terry Riley münden in interaktive Spielsysteme. Auf der Basis von kommunikationstheoretischen Modellen wird Musizieren mit den dafür notwendigen, lernfähigen Programmen der Artificial Intelligence in Gruppe 0153 zur Strukturierung von Prozessmusik genutzt. Spezielle Interfaces leisten dabei die Detektion von Spielbewegung als Indikator des nonverbalen kommunikativen Aus-drucksverhaltens, Scorefollower erkennen was gespielt wird, die Bewegungsinterfaces das dazugehörige Wie. Inhaltliche Interpretationen des Ausdrucks werden nicht im Voraus gesetzt, ermittelte Korrelationen bestimmen empirisch die inhaltlichen Bezüge. Damit werden Ausdrucksqualitäten am Beispiel des Musizierens zum kol-lektiven Gestalten genutzt. Solche lernfähigen Programme werden in kollektiven und kollektivierenden Prozessen der medialen Kommunikationskunst, der Net-Art als Teil von Medienkunstfestivals genutzt (JAUK & RANZENBACHER 1999, 2002). Vor allem der New Yorker Underground – zwischen U- und E-Musik angesiedelt aber letztlich doch einem europäischen Kunstanspruch verhaftet – ist Nährboden solcher über die Pop-Musik kolportierter Computer-Musik, in der die Trennung zwischen U- und E-Musik nicht mehr haltbar ist. Die Avantgarden der Computer- Musik vollziehen sich zunehmend im Pop (HOFFMANN 2002; JAUK 2002c). Was die Rezeptionsstudien schon längst belegt haben: das Publikum der Avantgarden kommt aus den Avantgarden des Pop und nicht denen der Kunst-Musik (BEHNE 1976; MARK 1981; JAUK 1986). 52 Eine Bezeichnung, die für die Neuausschreibung des Prix Ars Electronica anstelle der Sparte Computermusik in der Jury (der der Autor damals über mehrere Jahre angehörte) erarbeitet worden ist, um neben der traditionellen Avantgarde die »andere Avantgarde« (HOFFMANN 2002) gezielt anzusprechen. 53 Werner JAUK, John PREININGER, Stefan STASTNY Gruppe 01 (2003), Extraplatte, Wien. Computer Music Perfomance live recorded at 4.Austrian Soundcheck, Styrian Autumn 1996; eine Aufnahme des ORF.