2.7 Die Emanzipation des hedonischen künstlichen Sounds 329 Die maschinell geleitete Kompositionsart entspricht ganz seiner Intention – Techno ist, gemessen an seinem ideologisch bedingten Anspruch, gelungene funktionale Musik, Musik, die körperlich rezipierbar, unmittelbar bewegt – ein technisches Artefakt wird zur adäquaten Kompositionsmethode. Techno ist der musikalische Cyborg: Techno ist Body- und zugleich Maschinen-musik. Techno ist in der Rezeption immediate Body-Music – in der Produktion (vor der Verwendung oben genannter Interfaces) entmediatisierte Maschinenmusik – beides ist aufeinander bezogen. 2.7.1 Techno ist Body-Music Abseits der dem Ursatz (SCHENKER 1935) nahen, spannungsreichen, formal harmo-nikalen Grundstruktur des Blues und seiner Derrivate vom Rock’n’Roll bis zum Hard-Rock, seinen metallenen Formen und dem Punk, abseits der aufgrund der logischen Beziehungen des narrativen Liedes, die die zeitlichen Beziehungen in den Dienst des narrativen Ablaufs stellen und dadurch Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist Techno in einer steten Wiederholung und Verschachtelung von Patterns in einer endlos stationären Form angelegt: Diese repetitive und/oder prozessuale Form ermöglicht eine hypnotische Wahrnehmung. Steht das Strukturieren und Wiedererkennen bei narrativen Formen im Dienste des Nachvollzugs ordnender, Inhalte vermittelnder Beziehungen, ist für Techno nicht das Verstehen durch die Struktur, sondern deren unmittelbar emotionale und motorische Wirkung Intention. Die dem Pop-Lied entnommene Figur-Grundstruktur (nun unter Vernachlässigung ihrer Intensivierung durch Kontrasterhöhung) steht der Intention des Techno entge-gen. Techno ist The Decline of Figure and the Rise of Ground (TAGG 1994) oder anders ausgedrückt nicht ein homophones, sondern ein polyphones Gebilde, dessen strukturierende Elemente nicht funktionalen Gruppen von Ereignissen zufallen, sondern in gleichberechtigter Stellung im Wechselspiel zueinander agieren: Interne Oszillation durch gegenseitige Steuerung von Modulen wie durch Übersteuerung von Modulen erzeugen in sich rhythmisierte Klänge. Einzig der ostinate Bass steht eigen-mächtig und veräußerlicht schreitende Bewegung zusätzlich zur nervös oszillierenden Bewegung der Klänge. Alles ist stets in Bewegung. Statisch anmutende Flächen sind motorisch aktiv, in sich bewegt, sie sind dem Konzept »Bewegungsfarbe« (KOENIG 1987) ähnlich. Rasende ostinate Triggerungen von rosa-rauschen im sample and hold erzeugen im Terzabstand arpeggioartig aufgesplittert schwirrende Klangflächen, moduliert von langsam sich öffnenden und schließenden Filtern, die von LFOs über Sinusschwingun-gen angesteuert werden. Selbstoszillierende Filter machen zudem statisches Material aggressiv bewegt und nähern sich der distorted wah-wah Klangwelt der Gitarre, aus deren Welt des Punk die high intensities importiert sind. Es gibt aber auch einen Transfer in die andere Richtung. Die Renaissance der Musik von Jimi Hendrix und seiner Klang- und Spielwelt ist nicht nur im Soge der allgemein gitarreorientierten Heavy-Music zu sehen, sondern als Erfahrung aus dem Techno und der patternorientierten Computer Music. Techno hat das Hackertum kultiviert; Techno nutzt Selbstoszillation durch Übersteuerung, erzeugt Klänge aus technischen Artefakten. Der Gebrauch gegen die Spielanweisung war das Spiel mit