2.7 Die Emanzipation des hedonischen künstlichen Sounds 331 Vor allem das Tempo rhythmischer Strukturen geht mit dem physiologischen Tempo, der Erregung, einem basalen Lebensregulativ, die auch EYSENCK (1967, 1990) als grundlegend persönlichkeitsprägend54 annimmt, eine Interferenz ein. Das Aufmodulieren des externen auf den inneren Rhythmus wirkt erregend – das An-genehmheitserleben hängt von der subjektiv präferierten Erregung ab; situative Faktoren wirken kompensierend oder verstärkend; das Zusammenspiel zwischen persönlichem Erregungslevel und dem Erregungslevel von Event und Stimulus, den erregenden Parametern von Musik und entsprechendem Environment, hat moti-vationalen und damit verhaltenssteuernden Charakter (vgl. BERLYNE 1970, 1971, 1974). Dieserart wirken die dominanten innermusikalischen Parameter von Pop, Rhyth-mus und Klang in ihrer hohen Ausprägung intuitiv als verhaltensbeeinflussend erregend, als Katalysator der sozialen und politischen Haltung, der Gegenhaltung wie des Hedonismus. Der formale Aufbau von Musik und Musiksequenzen, des Ra-ves, unterliegt intuitiv wie intentiert dem Regelprinzip von Spannung und Lösung, einer lebenserhaltend zentralnervös kontrollierten Erregung, dem antagonistisch wirkenden Zusammenspiel von Sympathikus und Para-Sympathikus. Techno-Music ist eine körperliche »journey into sound«. Rainald GOETZ und Michi KERN (1994) gehen in ihrem Portrait von Sven Väth nicht von der Dualität rational gelenkter Struktur und körperhaftem Klang aus. Strukturarbeit steht im Dienste des Klanggefüges und dieses wird unmittelbar körperlich rezipiert. Der Kopf schafft, was der Körper rezipiert. Techno-Music gehört dem Gehirn – zumindest vorerst. »Das ist der größte Fortschritt von Techno gegenüber der alten, mit kunstfertigen Händen hergestellten Musik. Das ist das Herrliche dieser neuen Musik und ihre Gefahr. Wie überall im Reich des vollkommen Abstrakten lauern Ideen, Konzepte, Starrsinn, Ideologien. Doch wird diese rein geistig gemachte Musik ja hergestellt nur für den Körper: den Körper des Tänzers, Ravers und nicht eines einzelnen, sondern für den Körper im Kollektiv, für die Party aller mit allen« (GOETZ & KERN 1994, S. 80). Techno ist komponiertes acoustic driving zur kollektiven Bewegung – aber: Ist sie als Pop Produkt des Kopfes oder nicht doch des Körpers? Ist die genannte Kopf-Arbeit imaginierte Körper-Arbeit, läßt die Entwicklung von Body-Interfaces auch die Produktion von Techno aus dem Körper, als dessen hedonisch geleiteten Instrumentarisierungsprozess ahnen? 2.7.2 Techno ist Maschinenmusik »Die Reise in noch unentdeckte Galaxien ›möglicher Musik‹ wird mit alten Geräten angetreten, weil Historismus im digitalen Zeitalter vor allem über die Nutzung his-torischer Instrumente konstituiert wird« (POSCHARDT 1995, S. 147). Das von den Futuristen glorifizierend übernommene Postulat der steten Innovation gilt nicht für die Technologie, diese wurde in den Rundfunkstudios experimentierend geschaffen und in japanischen Großkonzernen mit dem Wissen europäischer Forschungsinsti- 54 Erregung bestimmt auch die sozialen Kontakte, allgemein die unterschiedliche Körper-Umwelt- Interaktion Extravertierter und Introvertierter.Während die ersten Erregung durch Interaktion mit Reizen der Umwelt steigern, ist das Erregungsniveau der zweiten bereits so hoch, dass diese Reize nicht suchen – Extravertierte wirken als sozial aktiv, Introvertierte als passiv.