338 The exciting Sound of Pop zu mimen, die eine Rezeption ihrer Musik als unmittelbaren und authentischen Ausdruck ermöglichte. [. . . ] Die Einheit zwischen Klang, Körper und Bewegung, aus der das Musizieren Sinn bezieht, war vor dem drohenden Auseinanderfall zumindest mit gestisch-mimischen Mitteln noch einmal bewahrt worden« (WICKE 1998). Was WICKE auf Erfahrungsäußerungen der Gruppe Franky Goes To Hollywood bezieht, ist in der Generation der digital Musics am Laptop überholt: Der Erfahrung der Körper-Erregung-Klang-Koppelung hat sich die Erfahrung des entmediatisierten Klanges beigefügt. Bei der Entwicklung von Interfaces geht es nicht um die Befriedigung der Erwar-tung von zusehenden Hörern, sondern um die Nutzung der Klang-Körper-Koppelung als intuitives Ausdrucksverhalten zur Klanggenerierung und -modulation, gerade das originäre Musizieren des Pop ist dafür paradigmatisch. Die Handhabung von Modulationen am Klang ist zunehmend durch psycholo-gische Interfaces geregelt. Das Drehen von Potentiometer, die logische Erzeugung von Spannungsabläufen in Ketten, das Wissen über die Bezüge der Physik des Klangs und seiner elektronischen und digital entmediatisierten Entsprechung wird zunehmend durch allgemein fassbare Interfaces ersetzt. Vorrangig grafische Formen, die an die grafische Notation der Neuen Musik erinnern und ikonische Qualitäten synästhetischer Art nutzen geben dem Amateur Tools in die Hand, Klänge in ihrem zeitlichen Zueinander zu gestalten, ihre Modulationen ohne Kenntnis der oftmals komplexen physikalischen Vorgänge zu konstruieren. Arbeitet das IRCAM an vielerlei psychologischen Interfaces zur intuitiven Handhabung von Klang in Zeit und Raum, so geht die Industrie – möglicherweise aus Nutzung einer allgemeinen Technikgläubigkeit – einen anderen Weg. Dass CUBASE von STEINBERG das analoge Mehrspur-Recording zur Vorlage hat, dass virtuelle Synthesizer der alten analogen Generation ihr Styling behalten, ist Sache des Kults mit Nostalgie, dass Hard Disc Recording-Programme Schaltflächen verwenden, die die Nachbildung von Studioge-räten sind, dies sind möglicherweise marktgerechte Rückgriffe auf Gewohntes wie zugleich auf Kult gewordene Images; die Bedienung erfolgt über die Regelung der Pa-rameter der elektronischen Simulation der physikalischen Bedingungen. MAX/MSP versucht hingegen in einer einfachen, modulorientierten Sprache visuelle, logische Verknüpfungen zur Erstellung von Klängen und Klangstrukturen zu nutzen. Die Bedienung des Spatialisateurs setzt wenig Wissen über Raumakustik voraus, hier wird intuitiv Erfahrungswissen über das Verhalten von Klang im Raum genutzt. Die Entwicklung von Interfaces, die den Körper in die Klanggenerierung nicht nur integrieren, sondern ihn zum wesentlichen Teil der Klanggestaltung machen, gehen dann den Weg zurück zum unmittelbaren Gestalten des entmediatisierten Klanges. Obwohl in den Avantgarden aus der Klang-Körper-Koppelung angedacht und in wissenschaftlichen Institutionen realisiert, hat die intuitive Handhabung als psychologisches Interface der Amateurisierung den Gebrauch von Technologie im Pop verstärkt. Über die allgemeine Handhabbarkeit erweist sich psychologische Verfügbarkeit als Faktor der Informalisierung.