2.8 Mediatisierung und digital Musics 339 2.8.3 Events als kollektiv gestaltende Mehrfach-Stimulation Macht das kommunizierende Verhalten das Werk zum Prozess, den Schöpfer zum Communication Node, so macht das Interface den Komponisten obsolet, er wird zum Musizierenden bzw. Partizipienten – Musik wird wieder zum musizierenden Verhalten. In Pop wenig genutzt bricht dieser Bereich die Grenzen zur digital culture – Pop bringt den Körperbezug in diese mediatisierte Welt ein. Ausdrucksverhalten mit hohem kommunikativen Wert wird entsprechend dem Spielen nach Vorschrift in den fünfziger Jahren in Pop instrumentarisiert und nach der Mediatisierung des körperlichen Spiels mit den elektronischen Instrumenten nun mit den Interfaces wieder in den Pop zurück geholt und modellhaft für den intuitiven Umgang mit Mediatisierungstechnologie in der digital culture. Das Theremin ist das erste Instrument, das direkt Körperbewegung in Klang überführt. Led Zeppelin haben dieses, den stufenlosen Tonhöhenverlauf mit Handbe-wegung spielbar machende Instrument in einer Bühnenperformance mit der Stimme dialogisch eingesetzt – wobei sich der nasale Klang der Stimme mit dem sinoiden Klang des Theremin in dem unmittelbaren klanglichen Ausdrucksverhalten des Pop adäquat mischen. Der Modern Dance als Ausdruckstanz, hat die Idee der Klanggenerierung aus der Bewegung auf den sich ausdruckshaft bewegenden Kör-per weitergeführt (vgl. Variation V). Was damals Avantgarde war, wird heute zunehmend in Techno Events integriert. Vom einfachen klangtriggernden Bewe-gungsmelder bis hin zu Hard- und Software-Interfaces, die die Bewegungen der am Event teilnehmenden Partizipienten in Sound and Light umsetzen. Samples und ein technisches Environment benötigt nur mehr eine motivationale Initiation, einen starting cue, damit ein selbstorganisierender Prozess kollektiver Gestaltung in Gang gesetzt wird. Die Rückkoppelung zwischen der Bewegung und dem dadurch erzeug-ten bewegenden Klang, zugleich über denselben Code das Licht und die Visuals wird als lustvoll erlebt und wirkt verstärkend; die hohen Intensitäten und das kollektive Agieren verstärken zudem in diesem multisensorischen Event, in dem die Grenzen zwischen Komponist, Interpret und Partizipient zwischen Konzert, Tanz und Event gänzlich aufgelöst werden, in dem mediale als vermittelnde Materialien zu sensorisch stimulierenden werden. Die Verkehrung der Situation von Produzent und Rezipient, die im Fluxus-Happening begann, die Weiterführung kollektiver Gestaltung um die sensorische Qualität in der Fabrik Warhols ist im partizipativen Techno-Event realisiert. Zentrum dieser motivationalen Rückkoppelung sind immersive Interfaces, die auf dem Ausdrucksverhalten, der unmittelbar sensorisch rezipierbaren Qualität der erzeugten Stimuli und deren allgemeinen kommunikativen Wert rekurrieren, Zen-trum der digital culture ist damit unmittelbar körperhaftes Musizieren des Pop. Hat der amateuristische Pop den Körper in die ihn verdrängende Kultur zurück gebracht, so hat die Interface-Technologie diesen Weg fortgesetzt und damit den Weg zurück zu unmediatisierten, allgemein verständlichen intuitiven Kommunikationsformen beschritten – über musikbezogene Interfaces hinaus. Die Medienkünstlerin Janet Cardiff thematisiert explizit den Bezug von körperlich gespieltem Pop-Instrumentarium und dem Interface. Feedback ist ein Setting, das dem User in Galerien die Kombination von Marshall-Verstärker und Wah-Wah- Effektgerät als Möglichkeit zur körperlich gesteuerten Klanggenerierung bereitstellt.