2.9 Eine digitale Popularkultur: Zusammenfassende Vorschau 343 Restauration und des Regionalismus, Anklänge an den Übergang vom Betäuben durch Fortschrittsgläubigkeit – aus der Generalisierung der politischen Revolution resultiert kulturelle Innovation als Haltung der Linken – (vgl. KITTLER 1988) zu einer politischen Struktur befürchten, die die Mechanismen der Massentechnologie subtil und gezielt nutzt, indem sie hedonische Lebensformen der Masse anbietet und damit gewinnbringend Produkte wie zugleich restaurative Ideologien verkauft. Was hier als Horizontalisierung erscheint, ist dieser Art massenhafte Lenkung in der Verführung der Führung weicht – ein Paradigma, das bereits den Beginn des Rock’n’Roll kennzeichnete. Letztlich sind die Veränderungen des Körper-Umwelt-Bezugs und die damit einher gehenden Mutationen von Wahrnehmung im engeren, im sozialen wie im politischen Sinn, Vorbedingungen von entsprechenden Handlungsweisen, durch die technische Machbarkeit und wirtschaftliche Verfügbarkeit dieser Technologien gegeben. Am unartikulierten Vorbild von Henry Fords Auto für jedermann, von Ferdinand »Ferry« Porsches Wagen für das Volk hat Leo Fender mit der Innovation einer massen-produzierbaren Gitarre dem Amateurismus und damit einer bestimmten Ästhetik Auftrieb verliehen. Normierung und technische Miniaturisierung, Verbilligung durch ausbeutende Massenproduktion in letztlich billigen Entwicklungsländern sind die Träger der Verfügbarkeit digitaler Instrumente, Tools des Alltagslebens und nicht des idealistisch geprägten Besonderen des Lebens, sind die Träger der Horizonta-lisierung in der digital culture – ein Demokratisierungsschub Weniger auf Kosten Vieler. Der intuitive Zugang zu diesen Tools durch psychologische Interfaces, die der Instrumentarisierung des körperlichen Ausdrucksverhaltens im originären Musizieren entsprechen sowie das Handling von Codes und deren hedonische Regelung bringen zusätzlich zur Horizontalisierung eine Amateurisierung und Informalisierung; auch die dilettantischen Grenzüberschreitungen und letztlich die Missachtung der senso-risch definierten Kunstsparten ist Teil der digital culture – multisensorische Events im Gefolge des Pop zeugen davon. Diese Horizontalisierung und der redefined body treffen sich mit einer Kultur des Spannungsschemas (BOHRER 1979), mit einer Erlebniskultur (SCHULZE 2000) und haben einen durch Pop bewirkten Informalisierungsschub an die vorläufige Spitze geführt – zum Event als multisensorisches partizipativ kollektives Ereignis mit interpassiver Subjektivität, das Für-sich-Sein in dem verstärkenden Environment von Gleichgesinnten. Grundlegende musikalische Spannungsschemata und pop-musikalische Körperlichkeit werden zu Grundfesten der digital culture und ihrer Künste. Repräsentation von Wirklichkeit durch Codes und Gestaltung aus kommunika-tivem Verhalten sind nicht nur die Grundfesten der digital culture, sie definieren zugleich Musik. Das Erleben von Erregung, von Spannung und Lösung, also Hedo-nismus, ist jene Kraft, die die Zuwendung zu den Codes und damit ihre Gestaltung bestimmen – dieses körperliche Element bringt Pop in die digital culture ein, in eine Kultur, die ob der virtuellen Umwelt einen geänderten Körper-Umwelt-Bezug hat, der einen enormen Evolutionssprung bedeutet. Der hedonische Körper steht vor dem mechanischen in diesem neuen Körper-Umwelt-Bezug.