2 Der hedonische Körper in den populären Neuen Künsten als Teil eines ästhetisierten Alltags Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Kunst hat das 20. Jahrhundert die Abkehr vom mechanistisch bestimmten Weltbild gebracht. Allgemein hat man sich dem Subjektiven zugewandt. Jene die Ästhetik bestimmende Grundlagenwissenschaft, die Erforschung der Wahrnehmung, mutierte von der Psychophysik, die psychische Erlebnisse auf der Grundlage ihrer physikalischen Entsprechungen erklären wollte, über die Gestalttheorie, die nativistisch gegebene physiologische Eigenheiten als die, die Wahrnehmung strukturierenden Prozesse annahm, zu einem Wissenschaftsbün-del, dessen gemeinsame Haltung durch die Lerntheorien gegeben ist. Katalysator dieser Entwicklung war wohl die Herausbildung zunehmend differenzierender Metho-den, die das serielle, lineare Denken jener Wissenschaften aufweichten, ein Denken das nach Marshall McLUHAN (1995, S. 74ff.) den Mechanismen der visuellen Raum-wahrnehmung und der sprachlichen Repräsentation derart erfahrener Wirklichkeit zuzuschreiben sei. Die Ausbildung dieser Methoden geht einher mit einer zur Be-wältigung der durch technische Innovationen geschaffenen neuen Umwelt adäquaten Wahrnehmungsweise, die McLUHAN (1995) in der auditiven Wahrnehmung ortet, eine Rückbesinnung auf phylogenetisch ältere Wahrnehmung. Sie lenkt die Sicht von einfachen Stimulus – Response Verknüpfungen auf komplexe systemische Verhalten und läßt deren Be-ob-achtung zu. Dies hat wesentliche Implikationen: Wahrnehmung wie ihre Formalisierung in ästhetischen Größen sind durch das Zusammenspiel von Außen- und Innenwelt in einem soziokulturellen Umfeld als Ergebnis von Lernprozes-sen bestimmt, die sich selbst in neurophysiologischen Erscheinungen manifestieren. Die Resultierende ist eine durch Lernprozesse adäquat an die Außenwelt angepasste Physiologie – lernfähige, Software bestimmte Detektoren der Außenwelt. Diese kognitionstheoretische Sicht suggeriert eine »starre« Wahrnehmung. Strukturelle Eigenschaften der Außenwelt wirken aktivierend, ein angenehmes Ausmaß wirkt motivierend und verhaltensbestimmend. Als körperliche Interaktion mit Elementen der Außenwelt ist Wahrnehmung hedonisch bestimmt (vgl. BERLYNE 1970, 1971, 1974). Ästhetik ist basal ein Wahrnehmungsphänomen, die Mediatisierung vor jeglicher nicht körperlicher Informationsübertragung zuerst ein Phänomen der vermittelnden Wahrnehmung. Gerade ästhetische Wahrnehmung als Körper-Umwelt-Interaktion (GIBSON 1982) erlaubt Mediatisierung als Entfernung von der unmittelbaren Kör-perlichkeit zu thematisieren. Medienkunst fokussiert diese durch jede Extension des Körpers (vgl. McLUHAN 1999) hervorgerufene Irritation des Körper-Umwelt- Bezugs. Als Instrumentarisierung dieses Bezugs wie seiner Formalisierung und dadurch zugleich Überwindung in einem Code-System ist Musik eine frühe Form von technischer Medienkunst: Instrumentarisierung und Codierung sind jene beiden Kulturtechniken, die Musizieren aus der unmittelbaren Körperlichkeit heraus und Musik als willkürliches Code-System ermöglichten; der Übergang ist als Prozess der