360 Der hedonische Körper in den populären Neuen Künsten Kommunikation von Ausdrucksverhalten über die Geste, ihre Fixierung in frühen Notationen, ihre präsentative Qualität im Duktus von Musik und Klanglichkeit und die allmähliche Lösung zu künstlichen, willkürlichen Zeichensystemen als Entfernung von der unmittelbaren Körperlichkeit zu sehen. Musik stellt sich als Phänomen der Mediatisierung dar und wird nicht erst mit der Ausbildung neuer Technologien als Mediamorphose (BLAUKOPF 1989, SMUDITS 1988a, b, 2002a, b) gewertet; elektro-nische Veränderungen sind als analoge der körperlichen Instrumentarisierung nahe, digitale Extensionen der Ausbildung willkürlicher Zeichensysteme, der Überwindung von Körperlichkeit. Die Musik wird damit als paradigmatisch für Mediatisierung allgemein erachtet. Als Formalisierung einer Logik des Auditorischen ist Musik weiterhin erfah-rungsbasiertes Interface in die Interaktion mit jener durch die technischen Medien veränderten Umwelt. Primär durch die Erhöhung der Geschwindigkeit und Di-gitalisierung scheint die phylogenetisch ältere auditive Wahrnehmungsform und hedonische Bestimmtheit die adäquate Körper-Umwelt-Interaktion zu sein in elek-tronische und digitale Welten. Die Neuen und Medien-Künste erforschen diese geänderte Wahrnehmungs- und Gestaltungssituation. Ein Paradigmenwechsel in Leben und Kunst ist als Musikalisierung zu beschreiben; Pop-Musik als originäres Musizieren spielt dabei eine zentrale Rolle im Bereich der instrumentarisierten, Musik als willkürliche Gestalt(ung) im Bereich der zeichenhaften Interaktion – he-donische Regelung ist beiden Kulturtechniken eigen. Von der aufklärerischen zur Erlebniskultur und von der analogen körperlichen, der mechanistischen, zur willkür-lichen digitalen Kultur mutierte Lebensformen finden darin theoretische Stütze.Die Kunst hat mit den Futuristen zu Beginn unseres Jahrhunderts einen radikalen Bruch vollzogen und damit den Gang vom Materiellen zum Immateriellen, vom statischen Abbild zum dynamischen Ereignis, vom gegebenen Natürlichen und kausal Beding-ten zum willkürlich machbaren Künstlichen als Programm vorgegeben. Der Blick auf Urbanität, Technologie und das Verlassen des mit dem Bürgertum entstandenen und seine Kultur stabilisierenden Konzertsaals veränderten die Rahmenbedingungen, in denen Kunst lebte, vom (romantischen) Fluchtfeld zum Hier und Jetzt, vom sozia-len Steigbügel zum lustvollen Genießen und öffnete einer Alltagskunst mit aktiver Teilhabe über körperbezogene Interfaces ebenso wie über kommunikationsbasiert gestaltende Interaktionen mit hedonischem Event-Charakter im öffentlichen Raum sowie – allgemeiner begriffen – einer horizontalen Gesellschaft, weitgehend geregelt durch die Sehnsucht wie das Versprechen von Lust, die Tore. Der Blick über die an die Sensorien gebundenen traditionellen Kunstsparten war zwar im spätroman-tischen multimedialen Spektakel als ästhetisches Spiel vorbereitet, die Futuristen stellten dieses aber auf eine theoretische Ebene: »Intermedia« ein Terminus der Futuristen sucht durch die Grenzüberschreitung, durch das Dilettieren in anderen Medien radikal Neues. Grenzüberschreitung und intermediales Handeln stehen nicht auf ästhetischem, sondern auf soziopolitischem Fundament, der Auflösung traditi-onsbedingter einschränkender Grenzen und ist mit einer klassenlosen (horizontalen) Gesellschaft im Politischen, mit Amateurismus im Soziokulturellen und mit dem common digit (vgl. JAUK 1999b) im Künstlerischen assoziiert, dem Überschreiten sensorisch definierter Kunstsparten mit ihrer zu verstehenden Rezeption der Forma-lisierung sensorischer Wahrnehmungsspezifika in den »Sprachen« der Künste hin zu