366 Der hedonische Körper in der Gestaltung von non-mechanischen Prozessen Diskussion um Medienkunst und auch deren Selbstverständnis fremd; der geforderte Paradigmenwechsel ist aus der Sicht der »Logik des Auditiven« (JAUK 2000a) und dem hedonischen unmediatisierten Umgang mit Sound des Pop nicht notwendig. Abseits der mystischen mittelalterlichen Symbolik, abseits der barocken Aus-drucksästhetik, abseits der romantischen Zuschreibungsästhetik versucht die expe-rimentelle Ästhetik die ästhetische (als hedonische) Empfindung unmittelbar aus dem Material und seiner formalen Anordnung zu erklären. Die nicht-abbildende, nicht-darstellende Kunst Musik ist dafür als Formkunst modellhaft; in Überhöhung ihrer syntaktischen Bestimmtheit hat die Musik eine extreme Position entwickelt. Absolute Musik benutzt keine Symbole, ist kein verklanglichter Ausdruck von Emo-tion, ist kein ikonisches Nachzeichnen von Stimmung, absolute Musik ist reine Form. Der HANSLICK’sche Satz, wonach »tönend bewegte Formen [. . . ] einzig und allein Inhalt und Gegenstand der Musik« (HANSLICK 1854, S. 32) sind, richtet sich gegen die gefühlsschwelgende Musikauffassung der Wissenschaft, also gegen eine Ästhetik, die als Inhaltsästhetik nicht unweit der Ausdrucksästhetik angesiedelt war, die – aus anthropologischer Sicht – für die Musik die kulturelle Überformung klanglich gesti-schen Ausdrucks körperlich emotionaler Befindlichkeit annimmt (KNEPLER 1977). Für den Pionier der autonom musikalischen Anschauungsweise hat »das Schöne überhaupt keinen Zweck, denn es ist bloße Form« (HANSLICK 1854, S. 32). Mit die-sem Postulat hat er später im Vom Musikalisch-Schönen die für das 20. Jahrhundert programmatische Autonomieästhetik begründet, eine Position, die in Termini der Semiotik musikalisches Material nicht als Information von etwas betrachtet, sondern als Information, die rein von sich selbst zeugt. Diese Haltung, die für die nicht zeichenhaft kommunizierende Musik lediglich die Abkehr von ihren wenigen (programmatischen) ikonischen Aspekten bedeutete, hat in den bildenden, visuellen Künsten die Abkehr von ihrem abbildenden Charakter bewirkt und die Hervorkehrung, letztlich Verselbständigung, der Form gebracht, hat die bildenden Künste schließlich musikalisiert (vgl. JAUK 2003a). Die Formali-sierung der bildenden Künste bringt diese in die Nähe der Formkunst Musik, ihr ästhetisches Selbstverständnis gerät in die Nähe der experimentellen Ästhetik, der Informationsästhetik und damit (der Ästhetik) der Computer-Künste, die aus der Formkunst Musik erwachsen ist. Als durch nichts anderes als durch innere Bezüge und deren Spannungs-/Lösungs-Wirkung bestimmt, hat Musik – als Formalisierung des kommunikativen aktivierungsdominierten Ausdrucks und der willkürlichen Über-formung – stets das Vorbild für die von aller, selbst Naturgesetzlichkeit, befreiten digitalen Künste gebildet; Computermusik war in Fortführung der Organisation innerer Bezüge der Reihentechnik, die erste Computer-Kunst. Die Popularisierung der Neuen Künste geht wesentlich mit ihrer primär hedoni-schen Bestimmtheit (ihrer formalen Eigenschaften) einher, und mit der Möglichkeit, unmittelbar über Erregung körperlich zu kommunizieren – mit der Rückentwicklung der Mediatisierungsform dieser Künste zur unmittelbaren Körperlichkeit; diese Allgemeinverständlichkeit fördert ein Wir-Bewusstsein, das gerade zusätzlich zum gemeinsamen »Zeicheninventar« als Verstärker kollektiven Verhaltens dient und somit lustvoll erlebt wird – die naturwissenschaftliche Basis des postulierten Zusam-menwirkens von Kollektivierung und Hedonismus populärer Kultur (BENJAMIN 1936, S. 350–384). Damit findet die experimentelle Ästhetik, als die lustvoll erlebte