376 Hedonisch musizierendes Körperverhalten Mehr denn als musikalische Performance ist der Rückgriff auf originäres, körper-haftes Musizieren zu werten, den Vinko Globokar mit dem performativen Körper in seinen Arbeiten thematisiert. Sabine BECK (2004, S. 26) verkehrt Globokars Konzertprogramm seit Mitte der achtziger Jahre »Mein Körper ist eine Posaune geworden« zu »Meine Posaune ist mein Körper geworden« und bezeichnet damit die verschmelzende Instrumentarisierung des Körpers. Mathematische Willkürlichkeit in der Arbeit am Code und dessen – verglichen mit analogen Signalen – einfachere technische Verarbeitung führen zu technischer Machbarkeit, die auf die Vorstellung sozialer Machbarkeit ausstrahlt. Im Verein mit ökonomischen Bedingungen, der Verbilligung durch automatisierte Massen-produktion (in Billiglohnländern), führt Digitaltechnik zu sozialen Veränderungen, zu allgemeiner Verfügbarkeit. Mit Verfügbarkeit jener digitalen Produktionsmittel, ihrer Vernetzung sowie intuitiven Bedienbarkeit geht Amateurismus einher – Die allgemein verfügbare technische Handhabung des digitalen Codes ist damit ein Ka-talysator der Popularisierung von Kunst; intuitive körperorientierte Kommunikation mit Maschinen wie handelnden Menschen erhöht die psychologische Verfügbarkeit: Pop wie die digital culture erweisen sich dieserart als Körperkulturen. Der digitale Code löst die Künste von ihrer sensorischen Bindung. Als common digit trägt er damit zur Grenzüberschreitung bei. In der Reflexion ihrer eigenen (selbstorganisierenden) Arbeits- und Lebensweise haben die populären musikalischen Formen – in dieser Art dem volksmusikalischen parallel, als Ware (FRITH 1981) bzw. Reflexion des Warencharakters (vgl. McLaren’s Konzept des Great Rock’n’Roll Swindle) klar davon distanziert – theorienbildenden Status für die Neuen Künste erlangt. Ihr hedonischer Charakter in Rezeption aber auch Gestaltung von Stimuli findet in der Organisation willkürlicher Codes in der digital culture eine notwendige Fortführung. Das damit notwendigerweise verwobene soziopolitische Umfeld der populären Künste, die Szene, ist als Paradigma der Selbstorganisation mit dem Vernetzen wie der Verfügbarkeit und damit dem kollektiven, selbstgenerierenden »Schaffen«, dem Verwenden wie auch der Reorganisation von Samples (abseits ihrer verweisenden Bedeutung) als soziales Interface zu den Neuen Künsten, den Kommunikationskünsten, der Net-Art, neu entdeckt. Nicht nur Pop-Musiker stiegen in die Szene der digital Musics ein, auch Interes-sierte mit dem Verständnis des bisherigen consumers, des Hörers – alleinig ob der Verfügbarkeit eines PCs mit Sound-Card. Damit zieht musikalische Machbarkeit in die digital culture ein – Amateurismus sprengt den konservierenden Regelkreis von Avantgarde und ihrer zeitverzögerten Vermittlung, ein restriktiver Mechanismus, wie SCHÖNBERG bereits konstatierte. Denn die Lehre hinkt der Avantgarde nach und wirkt deswegen restaurativ. Carsten Nicolai’s raster-noton arbeitete in der auf der Ars Electronica 2000 preisgekrönten Arbeit 20 0 to 2000 – twelve releases about the cutting edge of the millennium. (noton.archiv für ton und nichtton lc 1126) mit der kommunikationsori-entierten Kompositionstechnik. Die Gruppe initiiert prozessuale Musik durch den Aufbau eines Netzwerkes und strebt damit die Überschreitung marktwirtschaftlicher Prinzipien des Musiklebens an; das Werk als gesetzte Struktur ist an seine eige-ne Regelhaftigkeit gebunden. Dagegen wird Willkürlichkeit in die Regelhaftigkeit der ökonomischen Struktur eingeführt, und zugleich werden diese als gestaltendes