7.2 Extension des Körpers und Wahrnehmung 387 lichen. Externalisierungen unserer Speicher und Verlängerungen unserer Sensorien haben den Zugang zur externen Wirklichkeit erweitert, von der eigenen körperlichen Erfahrung gelöst und damit von der Bindung des erfahrenden Körpers an Zeit und Raum. Die Archivierung menschlichen Wissens fordert zunächst ihre Formalisierung: dies erhöht die Kommunizierbarkeit, ermöglicht Relativierung und damit Objekti-vierung und weiterhin auch ihren Zuwachs. Kommunikation ist damit eine Methode der Erkenntnis. Externe Archivierung trägt die Gefahr der Monopolisierung von Wissen in sich, Kommunikation die Möglichkeit der Demokratisierung. Das Ausmaß an machtbe-dingtem Interesse der Kontrolle von Archivierung wie Zugänglichkeit des Wissens reguliert diesen Prozess. Die technischen Medien haben zusätzlich zu der durch das »Buch« geleisteten Speicherung vor allem den Transfer von Information radikal verändert. War die unmittelbare Erfahrung bereits durch die vermittelte aus der Erfahrung anderer Körper erweitert, leitete nun die Extension körperlicher Erfahrung durch maschi-nelle und elektronische Instrumente den Ersatz körperlicher Wahrnehmung ein. Vorrangig die Geschwindigkeit der Informationsübertragung ist jene Größe, die den Bezug zwischen dem Wahrnehmenden und den wahrzunehmenden physikalischen Gegebenheiten gegenüber der unmittelbar körperlichen Erfahrung grundlegend ver-ändert. Die technischen Gegebenheiten haben eine Beschleunigung des Transports des Körpers zu Orten der Information gebracht, die elektronischen Medien die Beschleunigung der Information selbst – damit das Zurückdrängen der eigenen Bewegung, das Hinzukommen von Information auf den Körper, letztlich den Ersatz der Körperlichkeit – Zeit und Ort sind in der mediatisierten Welt keine erlebbaren Größen. Damit wurde das Informationssuchen eines aktiven Körpers durch das Informationsauswählen eines passiven Körpers ersetzt. Dem Erkunden von Räumen steht nun das Extrahieren von Informationen, die sich im Raum ereignen und ihn indizieren, gegenüber – als unmittelbare Erlebnisform ist dies die auditorische, wohingegen die visuelle zum Dekodieren von Ereignissen vorerst der Erfahrung durch die eigene Bewegung bedarf (PIAGET 1946) und diese Erfahrung dann als Generalisierung auf das sich Ereignende übertragen wird. Die akustische Raumwahrnehmung ist als Auswertung des Verhaltens von Schall im physikalischen Raum definiert und gibt so den Raum wieder. Schall ist Infor-mation, die nicht nur von ihrem Erzeuger kundet, sondern von Ereignissen, die auf die Ausbreitung des Schalls einwirken; seine Modifizierung indiziert Raum und dessen Eigenheiten. Um Raum zu analysieren wird Bewegung analysiert, indem die Teile stets zueinander in Beziehung gesetzt werden – Zeit und Raum sind Denk-kategorien aus der Erfahrung der Wahrnehmung als Körper-Umwelt-Interaktion. Während visuelle Wahrnehmung dazu eigene Bewegung in ein System einbringen muß, das wir als mechanistisches formulieren, liefert uns das hoch zeitauflösende akustische Informationsverarbeitungssystem Informationen über den sich langsam ausbreitenden Schall eine spezifische auditory logic: eine Zeit- und damit gekoppelte Raumerfahrung aus eigener Passivität. Als wahrnehmendes Subjekt befinden wir uns stets im Zentrum des akustischen Raums. Was sich mit der Erhöhung der Geschwindigkeit, und damit mit einer veränderten Zeit-Wahrnehmung, aber auch davon abgeleitet einer Entortung vollzieht, ist ein