394 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems sondern abseits der Implikationen von Subjekt-Objekt-Beziehungen vollzieht es sich an Immaterialien.Es geht aber in den Neuen Künsten nicht um das Bild, ob es fortan dynamisiert existiert, sondern um ein neues Verhältnis von Bild und Rezipient. Erst in diesem neuen Verhältnis definiert sich das Neue der Kunst. Medienkunst – oder allgemeiner – Kunst der indirekten Kommunikation ist an der Funktion und den funktionalen Prozessen der jeweiligen Medien interessiert: nicht das Material des Mediums, sondern dessen Funktion ist es, an der sich die Kunst orientiert, weiterhin der Eingriff in die Konstruktion der Wirklichkeit durch Medien, durch mediatisierte Wahrnehmung. Nicht die Sicht des Bildes, sondern der Wirklichkeit (willkürlicher Medienkultur) ändert sich, die Erfahrung der Art der Herstellung der Bilder. Das Senden lässt die Erfahrung der Beschleunigung zu, lässt Zeit und den im physikalischen Konnex stehenden (Lebens-) Raum neu erfahren, abseits der Bindung an Körperlichkeit. Dass Bilder als codierte Informationen gehandhabt werden, macht sie von einem Sinnesgebiet und den mit ihm verknüpften Erfahrungen, basierend auf der Welt der Dinge, unabhängig. Informationen können willkürlich verändert und übermittelt werden; das Verhältnis zu den durch die Information repräsentierten Dinge ändert sich, die Erfahrungen werden nicht mehr aus der Natur der Dinge, sondern aus der Willkürlichkeit der Codes gemacht. Willkürlichkeit bestimmt nun auch den Umgang mit Zeit. Zeit ist nicht mehr ein Produkt/Artefakt eines physikalischen Ablaufs und dessen Generalisierung, Zeit selbst ist willentlich gestaltbar, Zeitreihung von bedeutungsneutralen syntaktischen Ereignissen ist hedonisch geregelt (BERLYNE 1970, 1971, 1974) in der willkürlichen Welt der Codes und der Musik. Theorien der Musik formulieren diese willkürliche Gestaltung von Zeit durch das Spiel mit den Beziehungen, die zeitliche Wahrneh-mung als Denksystem formalisieren, erfahren aus der Wahrnehmung der Zeitgestalt Klang.Dieses veränderte Verhältnis von »Bild« und Rezipient vollzieht sich am Massenmedienartikel Musik-Video. Das dominante Medium der Pop-Alltagskultur stilisiert, prägt und popularisiert jene Wahrnehmungsart, die abseits der Logik der Natur wie abseits der Logik des Narrativen eine Parallelform zur Logik der Musik ist. Was dabei dem Nicht-Musiker als assoziativ erscheint ist als das Herstellen von Beziehungen eben abseits des Kausalen und seiner Generalisierung im Narrativen zu beschreiben, ist musikalische Gestaltung. »Bezeichnend für die ›neue Sensibilität‹, die aus dem Interface mit der Technik entsteht, sind [. . . ] die Musikvideos, eine Mi-schung aus stilistischen Eigenschaften der Werbung, dem experimentellen Film und den Metamorphosen des Surrealismus. Sie zeichnen sich durch rhythmische Beschleu-nigung der Bildfolgen aus, die kaum noch durch eine narrative Struktur raumzeitlich geordnet sind, sondern eher eine wuchernde, mehr oder weniger kontingente Kette von Assoziationen darstellen, in denen sich übergangslos alle Bildelemente ver-wandeln können. Ganz im Gegensatz zum perspektivisch organisierten Bildraum der klassischen Malerei verliert der Betrachter jeden festen Standpunkt und den Wahrnehmungsraum, ähnlich einer Halluzination, seine Einheit und Kontinuität. In ihm gelten auch die physikalischen Gesetze nicht mehr« (RÖTZER 1991, S. 34). Was der Autor dann als durch die Musik suggerierten »Bogen des Zusammenhanges, dem jetzt die Bildersequenzen unterstehen« (ebenda, S. 34) gleichsam beiläufig sieht, ist das Bestimmende: die Logik der zeitstrukturierenden Musik, die durch beziehendes