8.2 Zeit – Raum – Gefüge: ein Produkt körperlicher Erfahrung 395 Denken zu beschreiben ist. Dieses beziehende Denken macht Hören zu einem partizi-pativen, also einem aktiven Prozess der Teilhabe. Die Positionierung des eigenen Ich zum System Musik und seinen Teilen ist nicht durch eine physikalische Beziehung zu Gegenständen bzw. deren Abbildern gegeben, sondern sie ist das stete Relativieren der eigenen Position zur Struktur der Musik durch Prozesse des Denkens. Wenn RÖTZER in seiner Anmerkung zum Verlust der Position des Betrachters durch den physikalischen Subjekt-Objekt-Bezug als die ästhetische Besetzung dessen was Frederic JAMESON als Irritation durch das Erhabene des Spätkapitalismus begreift (das dieser im »dezentrierten Kommunikationsgeflecht« (JAMESON 1986, S. 89) ver-wirklicht sieht) meint er vermutlich die Abkehr von der Logik der mechanistischen Welt zu einer alternativen Logik, die durch das strukturierende Wahrnehmen und beziehende Denken als kognitive Leistung entsteht. Was hier als postmoderne Logik erscheint, ist eine übliche Vorstellung der Form des Denkens in der Kognition und war stets die adäquate Form musikalischer Wahrnehmung, weil Musik als Zeitstruk-tur die Veräußerlichung der entsprechenden Wahrnehmungs- und Denkformen ist, diese sind stets relational. »Mein Hauptinteresse ist, [. . . ], daß es dem postmodernen Hyperraum gelungen ist, die Fähigkeit des individuellen menschlichen Körpers zu überschreiten, sich selbst zu lokalisieren, seine unmittelbare Umgebung durch die Wahrnehmung zu strukturieren und kognitiv seine Position in einer vermeßbaren äußeren Welt der Wahrnehmung und Erkenntnis zu bestimmen« (JAMESON 1986, S. 89).Die Performance-Pop-Artistin Pipilotti Rist bemerkt in einem Fernsehinter-view (Treffpunkt Kultur ORF 2) »Ever is over all« und meint damit sinngemäß ihre Kunsthaltung, wo der Körper nicht durch die Physik beschränkt ist und wir uns alles vorstellen können; Rist generalisiert hier die Erfahrungen einer mediatisierten Welt auf die Vorstellung einer nicht-mechanistischen. Musik ist in ihrer Zeit- und Räumlichkeit zwar nicht von den Erfahrungen des Körpers gelöst; sie überschreitet diese Erfahrungen aber zugleich, indem sie diese in die Willkürlichkeit der Welt der Codes einbindet, die ihrerseits durch die hedonischen Mechanismen des Körpers geregelt sind. 8.2 Zeit – Raum – Gefüge: ein Produkt körperlicher Erfahrung Abseits der apriorischen Kategorien Raum und Zeit lässt sich auf der Basis von PIAGETs (1946) Untersuchungen über die Herausbildung des Zeiterlebens aus der Erfahrung des Verhaltens im Raum vermuten, dass Raum und Zeit zwei verquickte Kategorien sind. Zeit ist dabei jenes Abstraktum, das aus dem Verhalten der Dinge im Raum erschlossen wird, das das Ergebnis beziehenden Denkens aus Informatio-nen aus verschiedenen sensorischen Bereichen ist. Zeit ist keine Erlebnisqualität, es gibt kein Sensorium, das sie direkt dekodiert. Dennoch ist das auditive System ein Zeitanalysator, das die Möglichkeit gewährt, das Jetzt vom Vergangenen zu schei-den; es nimmt gleichsam diskret wahr und versetzt die psychologischen Momente durch (physiologische) Prozesse der Maskierung und Summation in ein erlebtes Kontinuum, Maskierung und Summation sind vergleichende Prozesse wie sie auf höherer Ebene der Informationsverarbeitung als relationales Denken zur Erfahrung