396 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems von Zeit werden. Musik als Zeitstruktur veräußerlicht diese indirekte Erlebnisart, die der einer mediatisierten – also auch indirekten, weil der direkten körperlichen Erfahrung entzogenen – entspricht. Raum und Zeiterfahrung sind körperlich bedingt und damit keine theoretischen Größen beispielsweise der Geometrie und Dynamik, sondern sie sind kulturelle Größen und hängen davon ab, wie Distanzen handhabbar sind, sie hängen somit von technischen Instrumenten der Verlängerung unserer Körper in der Technologie ab, die schließlich selbst die Werkzeuge veräußerlicht und dann zu entkörperlichter mediatisierter Erfahrung führt. Sie sind Produkt der Körper-Umwelt-Interaktion (vgl. GIBSON 1982). Mediatisierung und Instrumen-tarisierung des körperlichen Verhaltens, bei McLUHAN (1994) nicht grundsätzlich unterschieden, wirken sich demnach auf die entsprechende Wahrnehmung und die daraus resultierenden Denkkategorien, die Images von Zeit, Raum und das Selbst aus. Der Zeitsinn unterliegt einer historischen Entwicklung. Der natürliche, mensch-lich fassbare Lauf der Dinge ist zyklisch. Tag und Nacht wurden zunehmend aus gesellschaftlichen Zwängen untergliedert durch Glockenschläge in Stunden und ab 1674 minutiös gemessen. Durch diese zunehmende Verkürzung zyklischer Momente nähert sich diese Zeitwahrnehmung der linearen. Die lineare existiert als Überbau der Vergänglichkeit im Unterschied zum ständig Wiederkehrenden des Zyklischen; das Christentum stützt solches Zeitverständnis. Ortsgebundene Zeit wurde mit weltumspannender Mobilität notwendig. Exakte Ortsangaben waren der Schifffahrt nur über die genaue Zeit möglich. Dieses physikalische Verständnis bestimmt auch das Modell relationaler Wahrnehmung von PIAGET, der die Erfahrung der Verände-rungen durch Bewegung im Raum-Zeit-Gefüge als entsprechende Wahrnehmung interpretiert. Hohe Geschwindigkeit bringt dieses Raum-Zeit-Gefüge zum Stillstand – Ort und Zeit sind keine menschlich fassbaren Kategorien der mediatisierten Welt, sie schrumpfen aufgrund psychisch nicht mehr erlebbarer Geschwindigkeit zum Hier und Jetzt – globale Kommunikation im world-wide-web (www) entledigt sich der Zeit- und Ortsgebundenheit. 8.2.1 Das akustische Informationsverarbeitungssystem als Zeitanalysator Grundsätzlich unterscheidet sich das visuelle vom auditiv kontrollierten Erlebnis durch die eigene körperliche Aktivität im Wahrnehmungsprozess als Körper-Umwelt- Interaktion. Vor jeglicher Generalisierung ist visuelle Wahrnehmung an die eigene Bewegung gekoppelt, akustische Wahrnehmung ist analysierendes Verhalten von Fremdbewegung (BERGSON 1941) bezeichnet die aus der Provokation einzelner Bewegung erhaltene Erfahrung als induktiv, das aus der auditiven Analyse (massen-hafter) außenliegender Prozesse erhaltene als deduktiv. Er sieht in derWahrnehmung von Bewegung bereits eine mögliche Isomorphie der Kategorien »Raum« und »Zeit«. »Raum und Zeit erscheinen nicht als etwas grundsätzlich Getrenntes, denn hinter beiden steht die Wahrnehmung von Bewegungen, die erlauben, die Zeit zu erleben« (de la MOTTE-HABER 1990, S. 37). Das visuelle System kann Informationen stroposkopisch im Zeitraum von etwa 40 bis 50 m/sec, dem psychologischen Moment, dargeboten erkennen. Klang ist als