408 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems der Modulation von Klang über Distanz gekoppelt ist die akustische Perspektive des Raums. Grundsätzlich steht der auditory space im Gegensatz zu dem aus der visuell kontrollierten Umwelterfahrung resultierenden Imagery von Raum – seine Spezifika sind nicht nur in Musik vielfach thematisiert, sie machen ihn zum Para-digma einer entkörperlichten mediatisierten Umwelt, des Net-Space – als Raum der »all-at-onceness« (McLUHAN 1995). 8.2.2.3 Raum als Sekundärinterpretation von Klangfarbe – ein psychologisches Experiment4 Wie multidimensionale Konzepte von Timbre (in Anlehnung an die Studien von WESSEL 1979) und Tonhöhe (SHEPARD 1982a, b) postulieren und GARNERs (1974) theoretische Implikationen der integralen Dimensionen Timbre und Tonhöhe nahe legen, gibt es empirische Hinweise einer Interaktion von Timbre und Tonhöhe in ihrer Wahrnehmung sowie der Vorstellung ihrer räumlichen Repräsentation. Letztlich können Timbre und Tonhöhe als künstliche Aspekte von Klang (SCHNEIDER & BEURMANN 1994) erachtet werden, die räumlich vorgestellt, beschrieben und notiert werden. Für isolierte Klänge »there is a crosstalk between timbre and pitch, just as Melara and Marks (1990) found« (PITT 1994, S. 984). Diese »interaction can be shaped by experience« (ebenda, S. 984). Nicht-Musiker zeigten einen stärkeren Einfluss von Klangfarbe auf die Tonhöhenempfindungen – sie haben auch größere Schwierigkeiten, zwischen den beiden Dimensionen zu unterscheiden. »The interaction effects were symmetrical« (KRUMHANSL & IVERSON 1992, S. 744). Möglicherweise ist sharpness eine psychologische Dimension, eine Erfahrungs-wie Erlebensqualität, die diese Interaktion zwischen Tonhöhe, Teiltonverlauf so-wie Lautheit repräsentiert. Sharpness ist dabei die Zusammenführung von Erfah-rungsqualitäten des physikalischen Verhaltens hinsichtlich der Dynamik und der Frequenz von schwingenden Materialien, auf übergeordneter Ebene die Generalisie-rung fundamentaler Erfahrungen, die das mechanistische Denken ausmachen, auf die Klangwahrnehmung und ihre Vorstellung. Damit ist sie als Weiterführung der Beziehungen der psychologischen Dimensionen der Klangrepräsentationen »Tondich-te « und »Tonvolumen« als Funktion von Tonhöhe X Lautstärke (STEVENS 1934; GUIRAO & STEVENS 1964) denkbar. Ihre Erregungskomponente wäre als adaptive Größe im Prozess der körperlichen – physiologischen wie zugleich räumlichen — Interaktion mit entsprechenden Umweltgrößen interpretierbar. Einerseits korreliert sharpness mit der Zunahme der Amplituden der hörbaren oberen Teiltöne und mit zunehmender Lautstärke (GUIRAO & STEVENS 1964), andererseits steigt die Empfindung von sharpness unabhängig vom Klang allein mit der zunehmenden Höhe von Sinustönen. Die Senkung der oberen cut-off-frequency eines bandpass- Filters lässt sharpness-Empfindung von Rauschen sinken, die Anhebung der unteren cut-off-frequency lässt die sharpness-Empfindung steigen (von BISMARCK 1974). Auch die theoretische Beschreibung von Klängen vollzieht sich in räumlichen Modellen. REVESZs (1946) Zwei-Komponenten-Theorie der Tonhöhe benutzt ein 4 Die Formulierung der Hypothesen, Operationalisierung deren Begriffe, Anlage und Durch-führung des Experiments, Auswertung der Daten sowie die Ergebnisse sind im Anhang kurz dargestellt.