8.2 Zeit – Raum – Gefüge: ein Produkt körperlicher Erfahrung 409 räumliches Modell, in dem Helligkeit als lineare Dimension stetig steigt und To-nigkeit (HORNBOSTEL 1926) als zyklisches Element im Oktavabstand wiederkehrt. Sharpness und fundamentale Tonhöhe sind gewissermaßen ähnlich den Konzepten von Helligkeit und Tonigkeit. De la MOTTE HABER nimmt eine »Assoziation des Eindrucks der Helligkeit mit der räumlichen Höhe« (de la MOTTE-HABER 1985, S. 307) an, die Korrelation von räumlichem Vorstellungsvermögen und Musikalität ist ein weiterer Hinweis auf die räumliche Repräsentation von Musik im Allgemeinen (HASSLER & BIRBAUMER 1984; HASSLER 1985), wie sie in der Melodiekontur und in den frühen und modernen grafischen Notationsformen ihren Ausdruck findet (APEL 1979, S. 221). Abgesehen von der Auswertung physikalischer Differenzen, der Intensität und der Phase des Schalls an beiden Ohren beim binauralen Hören zur Lokalisation von Schallereignissen auf der Links-Rechts-Ebene und der Auswertung von Direktschall und dem zeitlichen Abstand der early reflections als Raumtiefe ist es Erfahrungswis-sen über die Modulation des Klanges im Raum, das uns Räumlichkeit schallmäßig indiziert. Die Ortung auf Medianebene ist uns unmöglich; durch leichte Kopfbewegung wird das Verhältnis von Medianebene und dem Ort der Schallerzeugung stets neu bestimmt und die Platzierung der Schallquelle auf der Medianebene verlassen; dadurch wird wiederum die physikalisch bestimmte Ortung auf der Links-Rechts- Ebene möglich. Umgekehrt konnte experimentell nachgewiesen werden, dass Klang immer dann von oben kommt, wenn die Kopfdrehung keine Veränderung zeigt, wenn also der Klangerzeuger in gleichsam geostationärer Position zum Kopf steht. Selbst bei von vorne kommendem Schall wird durch die Irritation der Links-Rechts- Wahrnehmung bei fixiertem Kopf ebenfalls eine subjektive Lokalisation von oben erlebt (WALLACH 1940). Bei Stillstand der akustischen Information relativ zu unserem Körper bringen wir Bewegung in das System. Modulation des Klanges indiziert uns Bewegung und Veränderung im dynamischen System Klang. Aber – allein die Modulation des Klanges verführt uns, raumbedingte Einflüsse anzunehmen – die Erfahrung über das Verhalten von Klang im Raum überstrahlt dabei mangelnde andere Informationen über den Raum. Ziel einer bislang unveröffentlichten Untersuchung war die experimentelle Er-kundung der akustischen Perspektive, der Sekundärinterpretation von Klangfarbe als »Raum-Tiefen-Information«, als Distanzmaß. Dabei wurde die subjektive Lo-kalisation von unterschiedlichen Klangfarben auf der Medianebene geprüft. Die Erfahrung, dass entfernte Klänge ob der allgemeinen Dämpfung leiser und der erhöhten Wahrscheinlichkeit der Dämpfung amplitudenschwacher oberer Teiltöne dumpfer sind als nahe, wird gleichsam generalisierend umgedreht: leise und dumpfe Klänge müssen (deswegen) weiter entfernt sein als laute und obertonreiche, schrille Klänge. Diese Untersuchung baut auf die von BLAUERT (1974, 1983) beschriebene unterschiedliche subjektive Lokalisationswahrnehmung akustischer Ereignisse auf der Medianebene aufgrund von Klangunterschieden am Trommelfell, verursacht durch die spezifische Gerichtetheit des äußeren Hörapparates; Filterungen durch die Beschaffenheit des Kopfes, von objektiv gleich lokalisierten audio-events. Die ebenfalls geprüfte emotionale Besetzung solcher Klangfarben-Distanz-Erlebnisse