414 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems der Next-Workstation des IRCAM realisiert und 1996 aufgeführt.5 Was mit dem spatialisateur (1995 von einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Olivier Warusfel fertiggestellt) auf der Ebene der digitalen Codes willkürlich gemacht wird, haben verschiebbare Wände und Decken aus Begrenzungselementen mit drei variablen Reflexionseigenschaften im espace de projection zuerst physikalisch begonnen und erprobt; die mechanisch einstellbare Hallzeit liegt zwischen 0,6 und 4.5 sec, das erste Konzert fand dort 1978 statt. Beide Techniken zur Integration von Raum in das System anderer musikalischer Räume sind Entwicklungen und Realisationen des IRCAM. Raum-Musik ist getragen von einer Ideologie, oder zumindest mit ihr verwoben, die den Auszug aus dem traditionellen Konzertsaal sucht, der nicht bloß physikalische, sondern auch gesellschaftspolitische Einschränkungen bedeutet. Dies impliziert nicht nur die wertfreie Etablierung eines zusätzlichen musikalischen Parameters, sondern die Eroberung des sozialen Raums. Sie steht damit im Geiste der Futuristen ebenso wie jener Haltung, die Leben und Kunst gleich setzt. Sie ist (bestimmendes) Korrelat der Öffnung der Kunstformen in den sechziger Jahren hin zur Kunst im öffentlichen Raum. Sie findet Alternativen zum traditionellen Konzertsaal in Museen ebenso wie in öffentlichen Gebäuden und Plätzen. Abseits der bürgerlichen Kunst-Konsumhaltung wendet sie sich zum Rezipienten und bezieht ihn schließlich mit ein. Raum-Musik erobert damit auch den selbstbestimmten Spiel- Raum im interaktiven Klang-Raum als Aktionsraum demokratischer Gesinnung (JAUK 1995a). Die konventionelle, akustisch nach vorne ausgerichtete Architektur von Konzertsälen steht den meisten Experimenten mit dem musikalischen Parameter Raum entgegen. Vielleicht deswegen wurde Carree von Stockhausen, 1958/59 für vier im Quadrat angeordnete Orchester und Chöre geschrieben, in Deutschland bislang erst zweimal aufgeführt. Stockhausen komponierte bereits in den Gruppen für drei Orchester (1955/57) ein Werk, in dem er den Parameter Raum als musikalischen bearbeitet. Er war innerhalb der Neuen Musik damit der Erste und beschäftigte sich seitdem mehrmals und intensiv, vor allem mit elektronischer Musik und seiner räumlichen Aufführung. Der Gesang der Jünglinge (1955/56) ist ein Tonbandstück, dessen Partitur fünf um die Zuschauer gruppierte Lautsprechergruppen vorschreibt. Die Arbeit ist damit die erste elektronische Raumkomposition. In den Kontakten in der Version für elektronische Klänge, Klavier und Schlagzeug (1959/60) werden die auskomponierten fünf räumlichen Bewegungsformen der elektronischen Klänge mit Hilfe eines Rotationstisches realisiert (STOCKHAUSEN 1971, S. 28f.). Die räumlich gezielte akustische Abstrahlung des klanglichen Ereignisses realisierte Stockhausen in der Klangkuppel in Osaka. Leo Küpper bringt das spontane musikantische Spiel mit dem Klang in der Klangkuppel in die Konzepte von Raummusik ein. Die Acousmatique fokussiert die räumliche Gebundenheit des Klangs mit seiner sinnlichen Faßbarkeit, Techno entdeckt dies erneut. Struktur ist ein der raumge-staltenden Architektur wie der Musik zentraler Begriff. Struktur ist nicht nur dem beziehenden Denken zugänglich, Struktur ist in der Musik sinnvollerweise auf Klang bezogen, Strukturen ergeben schließlich klangliche Gebilde. Das architektonische Interesse an der musikalischen Struktur bei Iannis Xenakis ist dem Bemühen um 5 Georges Bloch: Palmipedes d’agrément Alto & spatialisateur. Solist: Eckhard Kahle. 17. 5. 1996, 20:30 Uhr. 3èmes journées d’informatique musicale. JIM96. 16–18 mai, Île de Tatihou, Basse Normandie, France.