8.2 Zeit – Raum – Gefüge: ein Produkt körperlicher Erfahrung 419 Net-Art ist Kommunikationskunst sich ereignender Information in der Nodes und Informationen in einer dynamischen Beziehung stehen, Interaktionen sind jene Prozesse, die die Beziehungen regeln. Musik als dynamisches System diachroner und synchroner Beziehungen, als Objektivierung kollektiven interaktiven Musizierens ist dafür Modell. Interaktion wurde lange Zeit als Terminus für den (befehlenden) Zugang von Menschen zu Maschinen verwendet, als das mechanische Verhalten in einer man-machine- interface-situation. Dabei wurde das kommunikative Verständnis auf die Einwegkommunikation und damit auf reaktives Verhalten reduziert – im Falle der Musik zumeist auf die Instrumentarisierung des (körperlichen) Verhaltens; selten als kommunikatives Ereignis, meist als triggerndes mechanisches Handeln (ROWE 1993). Von der Mathematik und ihrer Formalisierung logischen Denkens abgeleitet wur-den zuerst dem als ihr Werkzeug erachteten Computer in formalisierter Sprache schriftlich Befehle erteilt. formular translation (FORTRAN) ist eine Programmier-sprache auf der Basis dieses Verständnisses, das mathematische Formeln in die schleifenbildende Denkart des Computers überträgt. Mit der Entwicklung von icon-basierten Betriebssystemen wurde ein psycholo-gisches Interface geschaffen, das allgemeiner verständlich ist und auf die Idee der Pictogramme von Otto Neurath zurückgreift. Die Erfindung der Maus durch Doug Engelbart bereits im Jahre 1968 (JOHNSON 1999) erlaubt schließlich die körperlich handelnde Auswahl von ikonisch vorgegebenen Möglichkeiten. Diese »Handlung« ist der Eintritt in den Datenraum, der letztlich, projiziert in ein Gesichtsfeld, stets vor uns bleibt. Von Apple initiiert hat dieses System mit Windows die Popularisierung erfahren und nicht zuletzt auch durch das mit dem Auswählen verknüpfte copy and paste – Verfahren die Amateurisierung elektronischer Musikgenerierung (im Verein mit der Möglichkeit der grafischen Darstellung und der später realisierbar gewordenen Realtime-Verarbeitung von Sound). Die Suche nach Interaktionsmöglichkeiten mit dem Computer ist grundsätzlich von der Einwegkommunikation und reaktivem Verhalten der Maschine geprägt und, nicht zuletzt, von sprachlichen bzw. ikonisch zeichenhaften Kommunikationsformen. Das musizierende Verhalten böte Modell für unmittelbar körperliches Verhalten als Kommunikationsform mit Maschinen. Körperliches Verhalten als Teil eines emo-tionalen Zustandes oder als seine gestische Überhöhung ist Ausdrucksverhalten, das ob der niedrigen Mediatisierung, des hohen Körperbezugs, hohe Allgemeingültigkeit beanspruchen kann und damit einfachen und informellen Zugang zu Maschinen leisten könnte. Originäres Musizieren als instrumentarisierte Verlängerung des Aus-drucksverhaltens ist der Rückgriff von Hendrix im Kontext der körperbezogen, emotional zu rezipierenden Pop-Musik auf das körperkontrollierte Feedback und damit die unmittelbar körperliche Kontrolle von Sound – dies ist ein Paradigma von körperkontrollierten man-machine-interfaces. Bereits das Theremin benutzt körperliches Verhalten zur Klanggestaltung. BUCH-LA steuert seinen Synthesizer über bewegungssensible touch-pads. Der Rückgriff von MOOG auf die tastaturgesteuerte Klangtriggerung ist ein Rückgriff auf ein