8.2 Zeit – Raum – Gefüge: ein Produkt körperlicher Erfahrung 423 8.2.3.4 Musik als Kommunikationskunst – kollektives und kollektivierendes Gestalten Dient der Hörraum als immersives psychologisches Interface abseits des metapho-rischen Verständnisses von Raum als erfahrungsbasiertes Imagery dem Net-Space als Interface, so kann Musik als Formalisierung von kommunikativen Prozessen durch Interaktion, als Modell für wo/man-wo/man-interfaces betrachtet werden. Diese virtuellen Räume sind Räume durch Ereignisse der Informationsübertragungs-prozesse indiziert wie akustische über die Ereignisse des Verhaltens von Schall indiziert werden. Informationsverarbeitungsprozesse bilden Strukturen aus, wobei diese mit den Informationen gebildet werden und die Informationen durch die Strukturen veränderliche Bedeutungen repräsentieren. Struktur und Information stehen in einer wechselseitigen Beziehung wie das für Wissen und Methoden im Prozess der Erkenntnisgewinnung gilt – psychologische Prozesse der informellen Gruppenbildung spiegeln solche Beziehungen. Solche Beziehungen zwischen Infor-mation und Strukturen bilden soziale Räume, gestalten Kommunikationsräume – Net-Art thematisiert diese Beziehungen und das kollektivierende der kollektiven Gestaltung, Musizieren praktiziert dies im musikalischen Sprechen (JAUK 1999a), die Sprache der polyphonen Musik sei die Objektivation zumindest der Gestaltung aus kommunikativen Prozessen (vgl. ADORNO 1958), Musik ist in vielerlei Hinsicht Modell der Net-Art (JAUK 1999b). Zumindest seit der Polyphonie ist Musik ein Gefüge von Elementen, die zugleich im diachronen wie synchronen Bezug stehen und somit ein systemisch gestaltetes Ganzes ausmachen; dieses Componere ist in sich interaktiv. Frank POPPERs (1991) herrschende Vorstellung von Interaktivität meint hingegen die »intensivere und vollständigere Beteiligung des Publikums [. . . ], die besonders durch die besser be-herrschbare und differenzierte Technik ermöglicht wird« (POPPER 1991, S. 263). Dieses Componere steht in Abgrenzung zu jener Definition, die im vorwissenschaft-lichen Sinn Partizipation – zuvor bereits im Happening realisiert – meint, deren internes Wirkungsgeschehen als reaktiv, als unidirektional monokausale Determi-nation zu werten ist; wohl eine beschränkende Generalisierung mechanistischer Vorstellungen, auf denen kinetische Kunst (mit ihr ist POPPERs Erfahrungsbereich verknüpft) letztlich basiert. Die Partizipation als technisches, psychologisches und soziales Interface an ei-nem (künstlerischen) Ereignis für sich ist noch nicht interaktiv. Sie wird von der einseitigen Teilhabe zur zweiseitig geregelten Mitbestimmung, wenn die Art der Partizipation dieses feedbackartig zirkulär geregelte, beziehende synchrone und diachrone Gestalten erlaubt. Die Bezüge polyphoner Musik sind interaktiv im Sinne stets wechselseitiger Bestimmung von Ereignissen im dynamischen Fluss der Zeit (JAUK 1995a), Musik ist das Ergebnis der Interaktionen des musikalischen Sprechens (JAUK 1999a), von interagierenden agents und der Herausbildung von communication-nodes (NIER-STRASZ & PAPATHOMAS 1990) und darin modellhaft für Net-Art (JAUK 1999b). Musik selbst ist ein Netzwerk (SCHLÄBITZ 1998). Die Interdependenz ist das Allgemeine, die Art ist Zeuge des jeweiligen Umgangs mit der Potentialität der Gestaltung.