8.2 Zeit – Raum – Gefüge: ein Produkt körperlicher Erfahrung 427 Parameter in diesem zeitlich organisierten Nacheinander; die musikalische Gestal-tung ist somit in sich interaktiv prozesshaft. Vor der Betrachtung gesetzter Musik bietet die Betrachtung musikantischer Formen direkten Einblick in die Gestaltung. Theoretische Ansätze, die Musik als einen Prozess der Gestaltung und nicht als des-sen Produkt erachten, implizieren die Möglichkeit musikalischen Sprechens (JAUK 1999a). Die freie kollektive Gestaltungsart, ein kommunikativer Prozess durch Interak-tionen, wird veräußerlicht und an der Gestaltung von Klang erlebbar. Systemisch dynamische Gestaltung der Neuen Künste werden mit der freien kollektiven Ge-staltungsart, einem kommunikativen Prozess von Interaktionen parallel gesetzt – Musizieren und ihre Formalisierung als Musik ist modellhaft für die Kommu-nikationskünste von der Mail-Art, den Künsten, die über Reisen interpersonale Vernetzung anstreben, den elektronischen Netzwerken über Tele-Fax und Tele-Phon bis zum Versenden von gespeicherter Information als snail-mail und das kollektive dislozierte Arbeiten über mobile Speichermedien etc., deren zeitgemäße Form die Net-Art darstellt. Es ist folgerichtig, dass vernetzte (künstlerische) Prozesse nicht nur ihre jeweiligen Produkte, sondern auch die Entwicklung entsprechender Tools einer kollektiven Gestaltung als open Source Projekte freistellen. Die Bezüge von Musik und Net sind vielfältig. Der Präsentation von Musik im Net in Form von Klangfiles, MIDI-Files oder der Aufarbeitung von Musik in der Nähe wissenschaftlicher Formen (FÖLLMER 1998) steht telematisches Spielen gegenüber, informelle Distribution in der digital culture verbindet beide zum musikalischen Gestaltungsprozess über Interaktion via komprimierten Klang (MP3), künftig mittels des algorithmisch codierten Klangs (MP5). Distributive Kommunikation innerhalb und zwischen Labels über das www steht in wechselseitiger Beziehung zu einem Prozess Musizieren fluider Musik. Net-Art ist insofern musikalisch, als kollektives Gestalten aus informeller Kom-munikation in unterschiedlichen Stufen der Mediatisierung von Ausdrucksverhalten, ihrer Instrumentarisierung bis hin zur Kommunikation über willkürlich gestaltbare Codes zugleich Musik wie Net-Art beschreibt. Gestaltung zielt nicht nur auf die Erstellung fluider Gestalten, Gestaltung gestaltet auch die Form der Gestaltung: kollektive Künste sind kollektivierend – darin liegt ihre politische Dimension. Möglicherweise ist eine politische Dimension im Wir der 60er Jahre unter der damals mit Pop als Körperkultur erstmals augenfällig verwachsenen medialen Distribution von Sex and Fun als explizite gesellschaftsverändernde Größe unter-schätzt worden, möglicherweise kommt in den digital communities über open Source Projekte die Idee der Horizontalisierung ihrem Gelebt-Werden näher – allerdings: spezielle Sprechcodes engen Demokratisierung ein, intuitiv verständliche Sprachen aus allgemeinem (Körper-) Verhalten könnten solche Ideologien von alternativer Nischenbildung befreien und über Informalisierung zu hoher allgemeiner (psycho-logischer) Verfügbarkeit führen. Damit ist nicht nur die technisch/ökonomische Verfügbarkeit gemeint, sondern jene, die unter Vermeidung spezifischer Kenntnisse allgemein verständliche Kommunikations- und Verhaltensprozesse initiiert. Der einseitige Blick auf die kommerziellen Interessen von Pop überstrahlt das Vermögen einer aufklärerischen Avantgarde zu erkennen, dass Pop als Körperkultur, die auf