8.3 Digitalisierung und Musik 435 die Fortführung der musique concrète noch ist digitale Soundbastelei des Techno Fortführung der Elektronischen Musik. Beides sind musikalische Formen auf der Basis der Nutzung des Vorhandenen: die Nutzung von Klängen und der Verar-beitungsmethoden des Computers. In ihrem Zentrum steht die Erzeugung von Aktivierung unmittelbar durch die Klanglichkeit von Musik und nicht durch ko-gnitive Prozesse der Musikverarbeitung oder Vorprägungen sowie Assoziationen. Ikonische und zitathafte Arbeit ebenso wie (musikalische) Verarbeitung – insgesamt ein denkmäßiges Spiel mit Erinnerung und Wiedererkennung – widerstrebt dem Hier und Jetzt und der Unmittelbarkeit der Musik. Copy&Paste sind Möglichkeiten der Betriebssysteme für die Handhabung von digitalen Materialien und werden wider jedes andere musiktheoretische Denken zur Erstellung solcher patternartiger Musik genutzt, die wiederum unmittelbare Aktivierung unterschiedlicher Ausprä-gung (als trance oder jungle) erregt. Gerade der acousmatische Aspekt von musique concrète, das Arbeiten mit den sinnlichen Qualitäten von vorhandenem Klang mit vorhandenen Möglichkeiten der Technologie kommt der ästhetischen Grundintention der Techno-Music nahe, der unmittelbaren (physiologischen) Stimulation durch die erregenden Qualitäten von Klang. 8.3.2 Digitalisierung und Virtualität Digitale Codes ermöglichen die Schaffung von Parallelexistenzen zur physikalischen Welt. »Bezogen auf das Medium Musik erweist sich allerdings auch die räumliche Vir-tualität als ein eher herkömmlicher Sachverhalt. Jede Musik schafft dadurch, daß sie hörbar wird, einen künstlichen und somit virtuellen Klangraum. Musizieren läßt sich nachgerade als Hörbarmachung virtueller Klangräume definieren, als die akustische Modellierung und Überhöhung realer Räumlichkeitseindrücke. Insbesondere aber die ›mediale Abbildung akustischer Räume‹ (BLAUKOPF 1989), die Bearbeitung von Musikeinspielungen am Regiepult durch Frequenzfilter und Hall sowie die räum-liche Positionierung einzelner Schallquellen führt zur künstlichen Gestaltung von Klangräumen« (RÖSING 1996, S. 115). Innerhalb dieses physikalischen Verständnisses von Musik leistet digitale Raumsi-mulation nichts Neues verglichen mit den analogen Annäherungen. Wissen über das Verhalten von Klängen im Raum und ihrer Perzeption und die gezielte Verarbeitung dieses Phänomens als digitale Informationen machen künstliche Räume verfügbar und handhabbar. Zusätzlich zur Erzielung räumlicher Klangtreue, zur medialen Abbildung akustischer Räume (BLAUKOPF 1989), ist die willkürliche Bearbeitung, die willkürliche Variation von Information (in den Klassen der konstituierenden Variablen) zur Erzeugung nicht-realer Räume durch digitale Bearbeitung leichter möglich. Innovativer scheint jene mit digitaler Präzision mögliche Nutzung von Wahr-nehmungsspezifika im Bereich virtueller Realität, die abseits ihrer physikalischen Bestimmung liegt: die Erzeugung von Illusionen durch die gezielte Triggerung von Vorerfahrungen mit Klängen überschreitet das Verständnis von virtueller Realität als Simulation. Die Sekundärinterpretation von Klangfarbe zur Raumillusion ist die