438 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems Prozesse; Techniken der Vervielfältigung wurden in der analogen konkreten Musik, im digitalen Bereich im Pattern-Structuring durch Copy&Paste strukturierend genutzt. Vervielfältigung stand üblicherweise vorrangig im Dienste der Distribution; in den Netzwerken digitaler Process-Music verschwimmen Vervielfältigung und Distribution (Reproduktion zur wirtschaftlichen Nutzung) in der Generierung von Musik. Die Möglichkeit zur identischen Kopie hat die Verfügbarkeit von Musik und die Strukturen des Musikmarktes mit dem Schutz des Urheberrechts und den eingeschränkten Rechten auf Vermarktung – ursprünglich sowohl beim Verlegen von Notenmaterial durch Druck sowie bei der Distribution klanglicher Materialien durch die Herstellung von Tonträgern an die mechanische Vervielfältigung gekoppelt – irritiert. Das Verbot von NAPSTER, einer kommerziell orientierten zentralen Tauschbörse im Net führte zur zunehmenden Verteilung der Musik auf private Kommunikati-onsnodes. Netzwerke des privaten Austausches von Musik umgehen den rechtlichen Anspruch auf Untersagung der Vervielfältigung. Im Bereich der kollektiven Künste werden Netzwerke zu gestaltenden Strukturen, indem Sounds und Musikteile der öffentlichen Verwendung preisgegeben und mit der Absicht der endlosen Verarbei-tung durch Weiterverwendung und Remixes ins Net gestellt werden – Autorenschaft wird zugunsten kollektiven Schaffens aufgegeben – damit enden auch rechtliche Ansprüche, privater Besitz wird zum allzeit und überall verfügbaren Allgemeingut. Darin ist auch eine Annäherung an die wissenschaftliche Form der Kommunika-tion zu sehen. Nicht als Methode der Erkenntnis, wohl aber als eine Form des öffentlichen Besitzes, dessen Gebrauch im Bereich der Wissenschaft die Angabe der Autorenschaft verpflichtet und damit als Metainformation die Interpretation der Information liefert. Die selbstkreierten, nicht vertikalen Distributionsmedien des Mersey, der Independent- und der Techno Szene sind die Avantgarde der Massenkultur für jene durch die Technologie ermöglichten horizontalen elektronischen Distributionss-trukturen. Verfügbar gemacht werden dabei eigene wie fremde Musik, sie werden wie ihre Teile begriffen. Verfügbar gemacht werden auch konsequenterweise jene die Ästhetik aus der Gestaltung durch Distributionstechniken prozessualer Musik/Kunst bestimmen-den Tools. Communities und Foren, die kollektive prozessuale Kunst generieren, erarbeiten in gleicher Weise Produktionstools – open Source steht für jene Verfügbar- Machung von Tools, was gemeinnützige Arbeit und horizontale gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse als Ideologie impliziert. Generierung aus distribuierender Kommunikation in der Kunst geschieht hier am Modell der wissenschaftlichen Kommunikation als Erkenntnismethode. Distribution von Samples, das Verfügbarmachen von klanglichen Teilen nicht als verweisende Zitate, verändert allmählich das Bewusstsein von den Dingen, die Frage nach der Genese tritt zurück, die Verfügbarkeit ist allgegenwärtig – wirtschaftliche, rechtliche Bestimmungen von Eigentum und Urheberschaft mutieren zu kollek-tivem Usertum. Diese Verfügbarkeit zeichnet die digitale Kultur, ihr politisches Selbstverständnis und ihre Ästhetik aus und ergänzt dabei die Machbarkeit der physikalischen Welt durch Simulation und ihre Überwindung durch Virtualität.