442 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems einer Übertragung vom Materiellen ins Geistige.8 Für ADORNO ist Musik anders als das Visuelle »vorweg von jeder Bindung an die Gegenständlichkeit frei: das Ohr nimmt nicht die Dinge wahr. Weder muß sie daher die Gegenständlichkeit auflösen, als ein ihr Heteronomes, noch ihre Herrschaft über die Gegenstände zurücknehmen« (ADORNO 1984, S. 145). Das Ohr nimmt aber das Verhalten der Dinge wahr.Als naturwissenschaftlicher Musikforscher bezeichnet SLOBODA (1985) Musik als non-referentiell. Referenz ist hier ein unmittelbar zeichenhaftes Verständnis, das auf etwas Außenliegendes Gegenständliches und/oder Inhaltliches verweist, dies bezeich-net, denn an anderer Stelle räumt der Autor ein, dass Musik die Formalisierung klanglicher und musikalischer Informationsverarbeitung sei, da Musik diese indiziere: die wissenschaftliche Analyse von Musik lege diese spezifischen Wahrnehmungs- und Denkweisen frei. Aus der naturwissenschaftlicher Sicht ist die Immaterialitätsdiskussion ein Parado-xon, Methoden der Naturwissenschaft erlauben und zielen darauf ab Materialitäten bzw. bei deren nicht direkter Beobachtbarkeit Indikatoren, also Referenzen, zu beobachten: Das Material Klang verweist referentiell auf einen schwingenden Kör-per, Musik auf die Formalisierung von Wahrnehmungsvorgängen. Dennoch, Musik bedeutet nichts. Sie steht im Gegensatz zur visuellen Information, wo das innere Bild ein bedeutungsmäßiges Abbild des Äußeren ist, der Begriff mit seiner Vorstellung gekoppelt ist und die Beziehung der Dinge als von der Beobachtung ihres Verhaltens abgeleitet als kausal gedacht wird (vgl. LEVY 2000). Als letzte Referenz zum Außen bleibt eine Art des Denkens als Produkt der Erfahrung der Außenwelt. LYOTARD postuliert als weiteres Kriterium der Neuen Kunst, sie sei eine Kunst des Denkens (LYOTARD 1985). Darin beschäftige sie sich damit, »wie wenig wirklich die Wirklichkeit ist« (LYOTARD 1987; hier 1988, S. 199). In Ästhetisches Denken führt WELSCH (1993) dies (körperbedingt einschränkend) fort, indem er der (ästhetischen) Wahrnehmung, als Referenz zur Außenwelt, die Generierung einer (sinnes-) spezifischen Logik zuschreibt. Als Thematisierung der Wahrnehmung der Wahrnehmung und daraus resultierender Denksysteme sind Medien-Künste wie Musik Künste des Denkens. Musik sei die Formalisierung des Denkens, einer spezifischen Art des Denkens, die aus dem Zusammenspiel von Klang, seiner körperlichen Hervorbringung und Wahrnehmung entspringt. In ihre Grammatik dürften Elemente eingehen, die nicht allein der Willkürlichkeit unterliegen, sondern solche, die aus einer Subjekt-Objekt- Relation als Folge der Körper-Umwelt-Interaktion resultieren. Musik ein System von Codes für Klänge. Darin liegt die Möglichkeit, diese vorgegebenen Bedingungen zu umgehen. Der digitale Code leistet die Codierung des Klanges selbst und schafft darin die Lösung von physikalischen Bedingungen und deren Implikationen auf die Wahrnehmung, er ist als Code immateriell. Bereits in die Generierung des musikalischen Codes, in die Gestaltungen beider gehen Erfahrungen ein, die an der Welt der Dinge orientiert sind. Damit sind diese Künste Künste des Denkens, das deren Analyse freilegt. Hier berühren sich die Methoden der Naturwissenschaft mit den Vorstellungen LYOTARDs in der Vermittlung von WELSCH (1993). 8 Georg Friedrich HEGEL, Ästhetik, Hg. Friedrich BASSENGE, 2 Bde. Frankfurt am Main, o. J., Bd. 2, S. 260f.