448 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems verweisenden Bezug dem Material aber entnommen, Klang als Sound verwendet, als pure Data, wie der Name des mittlerweile auch im Techno verwendeten open Source Programmierenvironments zur Gestaltung von Codes, die in unterschiedliche sensorische Qualitäten transformierbar sind, programmatisch bezeichnet.11 Die Computermusik ist die Weiterführung der Musik als Code-System. Erstmals wurden mit der Realtime-Klangsynthese ausschließlich code-bestimmte Reihungs-techniken auf die Klangsynthese angewandt. Die elektronische Musik der Kölner Schule ist dabei Mittlerin zwischen der absoluten Musik und ihrer tatsächlich absoluten Setzung in der Willkürlichkeit der digitalen Codes. Das strukturierende Denken der seriellen Musik führt von der Strukturierung der Klangabfolge und des Zueinanders der Klänge auf den Klang selbst. Die maschinelle Steuerung von voltage controlled Modulen des Synthesizers ist die Überführung der Reihentechnik in die Prozessmusik – die Minimal Music ist die Ausfilterung des Prozesshaften aus der Erfahrung mit Process-Music auf zeichenhaft gesetzte Musik. Dabei folgt dieses Denken weniger der am Sprachmodell orientierten Entwicklung, der seriellen »Fortspinnung« der Wiener Klassik, als einem in sich verwobenen systemischen Prozess. Steve Reich hat die Erfahrung der elektro-akustischen Schleifenverarbeitung auf die Mitschöpfung der Minimal Music übertragen, die abseits der europäischen zeichenhaft linear sprachorientierten Kunstmusik in den volksmusikalischen außereu-ropäischen (Gamlean schwarzafrikanische Polyrhythmik) auch in der europäischen Volksmusik als Kanon, als kompositorische Methode zur Erzeugung komplexer Polyklangfiguren verwendet wird. Die schleifenbildende Denkart des Computers führt dann ins Pattern-Structuring der MIDI- und schließlich nach der Möglichkeit zur Realtime-Digitalisierung, zum Copy&Paste-Structuring der Techno- und New Electronic-Music. In Violin Phase hat Steve REICH die Modulation von Patterns durch ihren (zeitlichen) Bezug zueinander komponiert. Er provoziert technisch produzierte Wahrnehmungsphänomene durch minimale Zeitverzögerung, die solange als Klang-veränderung wirkt, als der Zeitraum das psychologische Moment nicht überschreitet und somit eine serielle Zweitonempfindung erlaubt. Er nutzt damit psychologische Wahrnehmungsmechanismen als ästhetische Grundlegungen und erweitert damit die Musiktheorie der neuen elektronischen Musik um ihre erfahrungsmäßige Basis, eine Verbindung, die explizit in der Konzeption der IRCAM realisiert ist; es geht darum, Musiktheorie, Technologie/Informationsverarbeitung, Akustik und Psychologie in der Forschung um neue Klangmöglichkeiten und deren Koordination im komposito-rischen Prozess zu vereinen. Steve REICH hat diese Erfahrungen aus der technischen kompositorischen Klangverarbeitung auf die zeichenhafte Arbeit übertragen. Eine andere Art der Weiterführung der Prozessmusik und ihr Zusammenführen mit dem kompositorischen Denken findet sich im Studio als Instrument. Nicht nur der Ablauf von bestimmten Prozessen, sondern Montagen und Verarbeitungen werden integriert zur Komposition eines fertigen Gebildes. MARTIN hat diese Vorstellung, 11 pure Data ist die open Source version von MAX/MSP (Signal Processing), beides Entwicklungen von Miller PUCKETT. Der ideologische Unterschied liegt in der Bezeichnung wie in der Verwendung auf unterschiedlichen Hardware-Plattformen und in unterschiedlichen ästhetischen sowie soziopolitischen Haltungen.