450 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems der Basis des digitalen Alphabets bereits angelegt [. . . ]. Vom Multimedia führt dieser Weg zum Hypermedia der Gegenwart, den fluiden, assoziativ arbeitenden Netzwerken unterschiedlicher, aber auf einem Grundcode beruhender Medien« (CLAUS 1988, S. 80). Was Marshall McLUHAN als reine Information, Bernhard VIEF als Elementar- und Universalzeichen deutet, ist die Eigenschaft des common digits, jede Existenzform, jede Präsentanz in einen gemeinsamen Code anzunehmen und wiederum in irgendeine andere Präsenzform zu transferieren. Die elektronische Generierung von Ton und Bild macht beide prozessual steu-erbar – auch wechselseitig. Diese Art der Generierung und Steuerung ist gelöst von jeglicher sinnesspezifischer Erfahrung eine willkürliche Gestaltung und damit abseits einer sinnesspezifischen Logik, abseits einer über bestimmte Sinne erfahrene Subjekt-Objekt-Relation. Zuerst in der gemeinsamen analogen Steuerung elektri-scher Spannungen im audio-video-feedback-circuit (des Audio/Video-Synthesizers) gekoppelt, später am »digitalen Grundalphabet« (CLAUS 1988), am common digit (JAUK 1999b) orientiert, werden abseits der Spezifika der Sensorien in der Art der Reihentechnik maschinengesteuerte (später kommunikative) Prozesse12 in Reize konvertiert, die dem visuellen wie dem auditorischen System zugängig sind, selbst ein Morphing zwischen den beiden Empfindungsebenen ist möglich. Der Videoclip hat das »Zusammenwachsen der Künste« (ENDERS 2003) popula-risiert. Seine künstlerischen Vorfahren findet er in der visuellen Musik Fischingers, dem abstrakten Film Kurt Krens. In Annäherung an das Informel, die psychede-lic Art hat sich der Videoclip – stets vom narrativen Film unterschieden – zum multisensorischen Stimulans im Techno entwickelt. Aus der deutschen Idee des Gesamtkunstwerks (BROCK 1983) wird die technisch bestimmte Idee des Gesamtda-tenwerks (ASCOTT 1989) eingebunden in die verführende Werbeästhetik wird der verweisende Charakter von Zeichen durch die unmittelbare und breiter verständliche emotionale Wirkung von Reizen (die auch die Konnotation des akustischen Designs bestimmen) dabei zum tragenden Element, mutiert ein semiotisches Konzept zu einem funktionalen, mutiert das Zeichen zum Stimulans. Die hedonische Art der Gestaltung in den formalen Künsten, die körperliche Wirkung der Intensität von Stimuli, das exciting driving des Pop, lustvolles Image anstelle der Brauchbarkeit des Produkts sind Teile von Pop, die nicht durch Prag-matik und Funktionalität in ihrer Gestaltung und Verwendung eingeengt sind (RICHARD 2000). Sie sind damit bestimmende Teile einer auf dem lustvollen Event basierenden Erlebnisgesellschaft (SCHULZE 2000). Im Videoclip kulminiert dieses auf Musik als hedonische Struktur basierende Erleben als Lebensgefühl, das auch als politisches Klima wirkt. Mehrfachstimulans ist die Methode hedonischer Eventkultur mit wahrnehmungspsychologischer Basis ihrer Formalästhetik. 12 Siehe dazu die auf MIDI basierte Programmiersprache MAX, die vielseitigen wechselseitigen Steuerungen von Audio- und Video-Signalen über die entsprechenden Programme (Big Eye, Imagine) von STEIM, pd (pure Data), eine open Source Entwicklung nach dem Vorbild von MAX/MSP.