8.7 Musik als modellbildendes Medium einer Theorie der Neuen Künste 455 Geschwindigkeit, mit der Codierung und damit Virtualisierung der Umwelt als Mediatisierung der körperlichen Bezüge zur Umwelt eintrat – mit diesen technischen Innovationen ist die körperliche Erfahrbarkeit der Welt zunehmend zu einer media-tisierten geworden. Diese neue Welt fordert eine geänderte Erlebnisweise, die der phylogenetisch älteren auditiven Wahrnehmung entspricht und nicht der jüngeren und derzeit primären visuellen. Beziehendes Denken, hervorgegangen aus den Interaktionen des (zeitauflösenden Systems unseres) Körpers bei eigener körperlicher Passivität mit dem flüchtigen uns (physikalisch wie psychologisch-immersiv) umhüllenden Klang beschreibt Musik, beschreibt zugleich die Interaktionen mit einer virtuellen Umwelt einer mediati-sierten Gesellschaft – Regelmechanismen in dieser sind nicht mechanische, es sind hedonische. Hier vollzieht sich die Transgression des mechanistischen Denkens und die Wiederentdeckung des hedonischen Körpers. Willkürliche Strukturen der Musik sowie die kommunikative Art des Ausdrucksverhaltens sind hedonische Mechanismen der Musik, speziell der Digital Musics sowie des originären Musizierens, speziell des Pop. Hedonische Regelungen sind Paradigmata der digital culture, sie sind Wahrnehmungs- und Gestaltungsexperimente jener Medienkünste, die sich mit der Veränderung der Medien, der Entwicklung der technischen Medien herausgebildet haben; sie stehen in korrelativem Bezug zur Mutation einer sprachorientierten aufklärerischen Kultur hin zu einer hedonischen (BOHRER 1979, SCHULZE 2000), damit von einer seriellen visuellen zu einer systemisch prozessualen auditiven (vgl. McLUHAN 1995, S. 74ff.). Das körperlich passiv analysierende Verhalten von rund ums uns befindlichen (kommunikativen) Ereignissen charakterisiert die Interaktion mit dem Info-Space (vgl. BAUDRILLARD 1981) und ist als die Wahrnehmung des auditory space forma-lisiert in Musik. Die Objektivation von kommunikativen Prozessen des Musizierens in Musik und die Gestaltung durch Informationsübertragung in Netzwerken ist Gestaltung aus Kommunikation durch Interaktionen und wirkt zugleich gestaltend auf Strukturen, musikalische Gebilde wie soziale Communities. Das lustvolle Gestalten, das Reihen und Herstellen systematischer Bezüge von »reiner Information«, von pure Data ist die Gestaltung von musikalischen Struk-turen nach Spannung-Lösung. Eine mehr Formen als Inhalte, eher syntaktische als semantische Elemente organisierende digital culture bringt auch damit eine Neubewertung der new experimental aesthetics (BERLYNE 1970, 1971, 1974). Die Gestaltung des common digits erlaubt dabei die Mehrfachkonvertierung in unterschiedliche sensorische Bereiche und schafft hybride Morpheme – die hedonische musikalische Regelung macht multimediale zu multisensorischen Künsten. Das musizierende Verhalten ist instrumentarisiertes Ausdrucksverhalten; es ist Paradigma des Pop-Musizierens und Paradigma von Interfaces – Klang, sein emo-tionaler Signalcharakter ist in Pop wie den Interfaces immersive Größe, die im einen Fall emotionale als politische Klimata schafft/verstärkt, die im anderen Fall emotionales Interface für den Eintritt in die virtuelle Welt ist. Musizierendes Aus-drucksverhalten wie der immersive Klang sind Schnittstellen zwischen unmittelbar körperlich erfahrbarer und mediatisierter Wirklichkeit. Musik und Musizieren als Objektivation bzw. unmittelbares Spiel der Interaktio-nen mit klanggenerierenden Communication-Nodes, mit Codes des Klanges bzw.