8.8 Digitale Popularkultur 457 Regelung gelöst und durch willkürlich ablaufende Prozesse ersetzt, die nur mehr verstandesmäßig oder hedonisch verfolgt werden können. Generalisierungen der Erfahrungen aus diesen körperbezogenen Handlungen auf die kognitiven Prozesse sind nur mehr eingeschränkt möglich, die Mechanismen der Dingwelt gelten nicht mehr, der damit einergehende Primat der Logik des Visuellen wird von der Logik des Auditiven abgelöst. Wahrnehmen abseits der Anschaulichkeit, die Existenz des Flüchtigen, der größere soziale Charakter des Hörens (WELSCH 1996, S. 152), aber auch die Tatsache, dass das Auditorische auf die Dekodierung von Zeit speziali-siert ist und die stete implizite analysierende Raumwahrnehmung machen die aus dem Hören generalisierte Wahrnehmungsart zur bestimmenden Wahrnehmungsart von mediatisierter Wirklichkeit systemischer Ereignisräume, in denen die einfachen Bezüge von Ursache und Wirkung nicht mehr gelten, sondern deren Verhalten in »se-kundärer Echtzeit« (de KERCKHOVE 1995) aus seinen Veränderungen erschließbar ist. Mechanismen, die wir über das taktile oder visuelle System erfahren haben, sind nunmehr nur auf der Ebene des Verstandesmäßigen nachvollziehbar, ihr Er-regungswert wirkt als motivationale Größe der Zuwendung – Begreifen wird zum Verstehen, es wird mediatisiert, Hedonismus wirkt als Verführer. Die Logik des Auditorischen ist für jene nicht mehr (be)greifbaren Codes, für die keine abbildhaf-ten Repräsentanten aus der visuell kontrollierten körperlichen Erfahrung vorliegen, adäquate erfahrungsbasierte Wahrnehmungsart; sie ist der Wahrnehmung mediati-sierter Wirklichkeit näher. Die Ästhetisierung der Technologie, vor allem der Medien-und Kulturtechnologie, unterliegt selbst einer Mediatisierung. Irmela SCHNEIDER (1998) ortet Medialisierung und Ästhetisierung des Alltags in Schritten. Sieht die Autorin in der medialen Nutzung den Grund für spezifische Ästhetisierung, soll hier die Ästhetisierung vom Objekt weg auf die Mediatisierung verweisen. Das Vorzeigen des Physikalischen macht zuerst die neue Technologie fassbar, Telefon, Fernsehgerät sind zur Zeit ihrer Einführung (sicherlich auch aus technischen Beschränkungen wie aus sozialen Wertrepräsentationen) angreifbare Dinge, der data glove ist die sichtbare Entsprechung nicht sichtbarer Interaktionen und macht diese fassbar. Me-diatisierung tritt dann ein, wenn diese Geräte dann als Prothesen unserer Sensorien (McLUHAN 1994) begriffen werden und die Ästhetik des Designs ihre physische Existenz zurücknimmt. Der Data Glove wird gänzlich ersetzt durch Systeme, deren Tun man nicht unidirektionale Wirkung mechanischer Vorgänge körperlich erfahren, sondern deren Tun man nur am komplexen Verhalten erschliessen kann. Engt RÖTZER seine Ausführungen im Wesentlichen auf den ästhetischen Bereich ein, so gilt das, was er bemerkt, doch für das gesamte Leben. »Die sinnlich erfahr-bare Präsenz materieller Dinge oder Menschen wird in Zukunft sicher schrumpfen gegenüber einem Leben, das sich in die mit dem globalen Dorf vernetzte plato-nische Höhle und in eine programmierte Sensibilisierung der auf der Basis von Immaterialitäten generierten, gespeicherten, jederzeit beliebig veränderbaren und hybridisierbaren Phänomene zurückzieht. Die in der Kunst entwickelten Formen der Partizipation und Interaktion laufen denn auch darauf zu, den Betrachter in das System einzubeziehen, ohne daß er den Gang ins Museum auf sich nehme und leiblich anwesend sein muß« (RÖTZER 1991, S. 61). Partizipation und Interaktion sind Kommunikationsmodelle der Teilhabe bzw. des gemeinsamen Generierens, die