458 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems vor den elektronischen Künsten erprobt und mit den technischen Medien verfügbar gemacht wurden. Die Wirtschaft übernimmt diese Modelle und überträgt diese Kommunikationsstruktur abseits der physikalischen Mobilität in ihr kapitalistisches System, sie werden zu alltäglichem Verhalten. Das Bestehen in diesem System wird wesentlich von der Adaption der Wahrnehmungsstrukturen an diese entdinglichte Welt abhängen. Modelle dafür werden aus jenenWahrnehmungsbereichen zu nehmen sein, die nicht das Abbild der Dinge und ihre Beschreibung fokussieren, sondern die Beziehungen von Ereignissen thematisieren. Der zunehmende Grad an Mediati-sierung von ikonisch visuellen Künsten über die zeichenhaften Wortkünste zu den Künsten, die sich um die Beziehung an und für sich bedeutungsneutraler Ereignisse kümmern, wird in der Bewusstseinsbildung der Menschen zu beschreiten sein; die auf dem beziehenden Denken basierende Musik wird dann ein adäquates Modell für die Wahrnehmungsart in einer entdinglichten Welt zu ihrer Bewältigung sein. Der Primat des Visuellen, dem McLUHAN (1995) serielles Denken zuschreibt schwindet in der mediatisierten Welt und weicht dem Auditiven, dem Herstellen von Bezügen. Die Realerfahrung der Dingwelt tritt hinter die Simulation und weiter hinter die Imagination zurück. Die Welt der Dinge und die ihrer Abbilder wird durch die Vorstellung von Inhalten und Strukturen zunehmend ersetzt; eine Zusammenfassung präzisiert die Bezüge: Klang ist eine Zeitgestalt und stets räumlich um uns, sein emotionaler Charakter wirkt kommunikativ; Musik ist dynamisch systemische Gestaltung als Formalisie-rung der Erfahrung von Klangwahrnehmung in Zeit und Raum wie kommunikativer Prozesse, eingeleitet durch die Instrumentarisierung körperlichen Ausdrucksverhal-tens. Die Objektivation dieser Ereignisse ist »beziehendes Denken«, Ihre Schrift erlaubt die willkürliche Organisation dieses Denkens und ist die Vorform des digita-len Codes, der die willkürliche Organisation der Ereignisse selbst, schließlich des Klanges selbst erlaubt. Dynamisierung, Ereignisraum, Kommunikation durch Interaktion und Mediatisie-rung sind in Musik verwirklicht. Zudem wirkt Klang immersiv und damit unmittelbar körperlich. Wesentliche Teile der Neuen Künste sind damit im Musizieren (worauf Pop-Musik rekurriert) angelegt und in der Musik formalisiert. Unsere Welt der elektronischen Medien ist nur scheinbar durch eine zunehmende Visualisierung geprägt; es erscheinen uns Bilder in einer Funktionswelt des Auditi-ven. Telepräsenz, aktives Involviert-Sein und Gleichzeitigkeit sind Verhalten, die nicht der Welt des Visuellen angehören. Marshall McLUHAN ortet schon früh eine »Bewegung vom Greifbaren zum Ungreifbaren, von der Vorherrschaft der Hardware zur Vorherrschaft der Software [. . . ], die sich gegenwärtig vollziehende Wende der Technologien des visuellen zu denen des akustischen Raums in unserer Gesellschaft beschleunigt sich beständig« (McLUHAN 1995, S. 63). Raum ist an Bewegung und damit an Zeit gebunden (BERGSON 1941). Das Verhältnis von Körper und Umwelt hinsichtlich Bewegung unterscheidet die visuell kontrollierte von der auditiv kontrollierten Raumwahrnehmung und das Korrelat Zeit. Klang verhält sich in Bezug zum informationsverarbeitenden Körper Raum und Zeit anders als Licht, Die langsame Ausbreitungsgeschwindigkeit des Klangs ist unserer Zeitverarbeitung zugänglich, die rasche Ausbreitung von Licht erscheint uns als zeitlos. Vermittelt uns das Akustische Raum wie Zeit unmittelbar und gibt