8.8 Digitale Popularkultur 459 uns unsere Beziehung dazu kund, so zeigt uns das Visuelle stets starre Gegenstände vor uns – erst durch kognitive Prozesse lernen wir durch Bewegung im Raum-Zeit- Gefüge die korrelierten Dimensionen Raum und Zeit. »Der Schall trifft uns von oben, von unten, von allen Seiten. Er dringt [. . . ] durch uns hindurch und wird selten von der Dichte physischer Objekte aufgehalten. Die meisten natürlichen Materialien wirken wie eine Stimmgabel. Das menschliche Kleinkind kann sich nicht in die Umgebung hinauswagen, bevor der Schall es nicht die Tiefe des Raumes lehrt, welche das Kind im Laufe seiner Entwicklung an die Erfordernisse des euklidischen oder visuellen Raumes anpaßt« (McLUHAN 1995, S. 65). Das zur Internalisierung führende Erfahren von (Zeit und Raum durch) Schall ist ein passives, wir sind Teil des Raumes, wir sind mit ihm verbunden, »es gibt keine Grenzen um den Ton. Wir hören aus allen Richtungen gleichzeitig« (ebenda, S. 65). Wir erfahren implizit Raum und Zeit. Das zur Internalisierung führende Erfahren des visuellen Raumes, das auch im akustischen zusätzlich vor sich geht, beschreibt PIAGET als die Interpretation der Veränderlichkeiten im Raum-Zeit-Gefüge. Es ist vorrangig ein aktives Raumver-ständnis, als wir unsere Bewegungen als das verstehen, was die Veränderlichkeiten im Raum-Zeit-Gefüge bewirkt. Dies ist vielleicht die erste Stufe mediatisierter Wahrnehmung von Raum und Zeit. McLUHAN argumentiert, »daß das Auge einen Raum schafft, in dem nur eine Sache zur gleichen Zeit zugelassen ist. Das Auge funktioniert wie eine Maschine – wie eine Kamera. Wenn der Fokus des Auges so eingestellt ist, daß das Licht auf die Retina trifft, ist sichergestellt, daß zwei Objekte nicht denselben Raum zur gleichen Zeit besetzten können. Der Verstand lehrt das Auge, ein Objekt so zu drehen, daß es auf einer Ebene und im perspektivischen Raum ausgerichtet ist« (McLUHAN 1995, S. 67). Das Gesichtsfeld wird erst durch wahrnehmungstätige Lernprozesse in der Interpretation von Veränderung in der sukzessiven Aneinanderreihung von Gesichtsfeldern zum visuellen Raum, der nach dem olfaktorischen Raum phylogenetisch ältere Hörraum ist vor solchem wahrneh-mungstätigen Lernen gleichsam passiv gegeben. Akustische Raumwahrnehmung ist der Wahrnehmung mediatisierter Räume prinzipiell näher. McLUHAN nennt aufgrund der Unterschiede – bezogen auf die Raumwahrnehmung – eine zunehmende Bedeutung der Art akustischer (Raum-) Wahrnehmung in einer mediatisierten Welt. Diese unterschiedliche Raumpräsenz bleibt aber nicht ohne Folgen auf das Denken. »Es hat fast den Anschein, als sei es allein die Physiologie des Auges, welche den Gedanken, alle Dinge haben ihre folgerichtige Ordnung (in Sequenzen), verbreitet: Alles habe seinen rechten Platz zur richtigen Zeit, und steht in linearen Beziehungen zu anderen [. . . ]. Damit wollen wir sagen, daß es anscheinend das menschliche Auge ist, das die lineare Logik erzeugte. Seine wahre Natur, seine Anatomie und die ›Art der Verarbeitung‹ fördern ein Denken durch Ausschließung: Entweder befindet sich etwas in jenem Raum, oder es befindet sich nicht dort. Die Einschränkungen der abendländischen Logik hängen mit unserem Verständnis sequentieller Beziehungs-systeme zusammen - der auf dem Visuellen aufgebauten Logik« (McLUHAN 1995, S. 67). Die Logik des Auditiven ist der Allortgegenwärtigkeit nicht begrenztem Schalls entsprechend, in dem wir selbst mitschwingender Teil sind und viele Ereignisse erfassen, anders: »In einer Welt simultaner Wahrnehmung [. . . ] dominiert nicht die