460 Bedingungen der Irritation und Transgression des mechanischen Systems lineare Zeitauffassung (McLUHAN 1995, S. 69), sondern das Mustererkennen. Wie der Schall war, die Ordnung der alten oder prähistorischen Zeiten [. . . ] kreisförmig, nicht nach vorne schreitend« (McLUHAN 1995, S. 65). Interpretiert McLUHAN dieses lineare Denken als abendländische Kultur und über die Schrift verstärkt, so ließe sich das auf dieses Muster orientierte holistischeWahrnehmen von Gleichzeitigem auch als nicht monokausales Denken in Parallelexistenzen der Postmoderne charakterisieren, in dem nicht der Schritt nach vor, sondern der Schritt daneben Fortschritt bedeutet. Digitalisierung schafft willkürliche Codes – von jeder Erfahrung entkoppelt – musikalische Zeichen wie Codes werden nach hedonischen Kriterien gestaltet. Auch hier findet sich die Transgression des Mechanistischen bereits in der Musik vollzogen und nun in die Lebensbewältigung der digital culture eingegangen. Immaterialität ist jene Qualität, die uns als Virtualität abseits der körperlichen Erfahrbarkeit begegnet – Musik ist dafür ein Erfahrungsterrain. Technologische Entwicklungen haben die Dynamisierung und Virtualisierung unserer Umwelt gebracht. Im Alltag der digital culture sind damit zwei als kulturelle Gegenspieler, betrachtete Dimensionen, der Körper und die verfügbare Technologie, zueinandergewachsen: Das Grundparadigma der hedonischen Regelung der syntaktischen Struktur von Musik wie der bedeutungsneutralen Codes der digital culture, geht einher mit einer zunehmenden Verkörperlichung der Alltagskultur. Anstelle des mechanischen Körpers ist der redefined hedonistic body das Zen-trum dieser Kultur. Pop bringt den Körper zurück, die Instrumentarisierung des unmittelbaren musizierenden Ausdrucksverhaltens des Pop wird als Paradigma des Interfaces in die digital culture importiert – die körperliche Dimension von Klang dient dabei als immersiv verstärkender Faktor. Verfügbarkeit ist die andere Dimension, die die digital culture charakterisiert. Technische Machbarkeit sowie ökonomische und psychologische Verfügbarkeit haben das Betriebssystem Kunst verändert. Kunst und Leben sind in der digitalen Kultur als Alltags- und Massenkultur zusammen geführt. Psychologische Verfügbarkeit ist durch intuitives Körperverhalten als hedonisches Regulativ bestimmt – Pop-Musik ist das Paradigma dieser unmediatisierten Gestaltungs- und Lebensform. Mit der Verfügbarkeit der Produktionsmittel werden die Grenzen zwischen Pro-duzent und Rezipient aufgelöst und Amateurismus begünstigt, die Distribution geht in die Hände des jeweiligen Herstellers. Distributionsmittel werden zu gestal-tenden Möglichkeiten, kollektives Schaffen aus informeller Kommunikation in den Netzwerken des anonymen Wir führt Kunst vom privaten Besitz einzelner (meist ökonomisch Privilegierter) in den öffentlichen Besitz über – Kunst wird wie Wissen öffentliches Eigentum, der Wissenschafts- und Kunstbetrieb nähern sich in ihren Strukturen an, Kommunikation ist Erkenntnisgewinnung in beiden Medien – in der Wissenschaft wie der Kunst. Oftmals als visuelle Kultur bezeichnet schwindet in der digital culture der Primat des Sehens in einer »unanschaulich gewordenen Welt der Physik« (WELSCH 1996, S. 152). Virtualisierung in allen Lebensbereichen, in der Wissenschaft wie in der Kunst und vor allem in den Neuen Medien entzieht sich der sensorischen Fassbarkeit. In dieser in den Neuen Medien und ihren Künsten mitgestalteten Kultur spielt Musik als hedonisch geregeltes System syntaktischer Elemente, spielt Pop als sensori-