Die Entstehung des Orgelprospektes [1] Große Orgel und RückpositivDer Orgelprospekt im engeren Sinne stellt den Aufbau der Pfeifen in der sichtbaren Vorderseite einer Orgel dar. Im weiteren Sinne umfaßt der Begriff „Prospekt\" auch das die Schauseite der Orgel schmückende Holzschnitzwerk. Die Anfänge einer solchen aus Pfeifenfeldern, Pfeifentürmen und bildnerischem Schmuck bestehenden Prospektgestaltung sind im 15. Jahrhundert zu suchen, als die Technik des Orgelbaus so weit entwickelt war, daß man nicht nur in den Kirchen Positive und Portative verwendete, sondern an geeigneter Stelle die sogenannte „Große Orgel\" errichtete. Die Schauseite all dieser Instrumente wurde in den Orgelbaukontrakten meist „Gesicht\", noch häufiger „Structur\" genannt; wollte man den künstlerischen Anteil der Holzschnitzer und Maler besonders betonen, so begegnet uns auch der vor allem in Süddeutschland (Überlingen 1504, Freiburg i. B. 1544) früh gebräuchliche Ausdruck „Gehäuse\". Dieser Ausdruck, der seine Herkunft von den mit Türen verschließbaren Altaraufsätzen der Spätgotik verrät, kommt, streng genommen, nur den mit Türen oder Flügeln versehenen Schrankorgeln zu, so weit sich hinter diesen bemalten Flügeln kein ausgebildeter Prospekt befindet; bei dem bis ins 17. Jahrhundert fortgesetzten Gebrauch von Orgelflügeln hat sich der Name „Orgelgehäuse\" aber auch als Bezeichnung für den Gesamtprospekt der Orgel erhalten.[2] Daß der alte Orgelprospekt als ein besonderer, als ein gleich dem Pfeifenwerk der Orgel Kunstwert beanspruchender Teil des Instrumentes anzusehen und zu würdigen sei, ist, von den Hinweisen einzelner Orgelliebhaber abgesehen, erst vor wenigen Jahrzehnten—————————— [1] . Literatur: L.Burgemeister, Der Orgelbau in Schlesien. Straßburg 1925.– H.Mund, Geschichte und Bedeutung des Orgelgehäuses, Freiburger Orgeltagungsbericht 1926.– H. Jenny, Der Orgelprospekt in der Schweiz. Zürich 1929.– K. L. Skutsch, Zur künstlerischen Entwicklung des Orgelprospektes in Deutschland bis in das 18. Jahrhundert. Diss. Breslau 1930.– W. Supper, Architekt und Orgelbaumeister. Würzburg 1934.[2] . I. Rücker, Die deutsche Orgel am Oberrhein um 1500. Freiburg i. B. 1940. In den hier abgedruckten Kontrakten, Rechnungen und Gutachten erscheint der Ausdruck „Gehäuse\" außer in Überlingen 1504 und Freiburg 1544 auch noch in einer alten Baseler Baunotiz von ca. 1470. Zum Teil im Wechsel mit dieser Bezeichnung tritt für die ältere Zeit öfter der Ausdruck „Corpus\" auf. Der Name „Prospekt\" kommt in einem Konstanzer Gutachten von 1609 zuerst vor. Der Ausdruck „Gesicht“ oder „Structur\" wird im 17. Jahrhundert vorherrschend.-3-