(Dom um 1610), Bückeburg (Stadtkirche 1615), Bremen (St. Martin 1615), Kassel (1610) stellen die zweite Welle jener künstlerischen Zeugen einer Prospektkunst dar, die den Typus der spätgotischen Orgelfassade, in eine weit leidenschaftlichere Steigerung versetzt, abwandeln. Die Klangreihen der durch den Werkcharakter gleichsam reizsamer gewordenen Orgel finden ihr bewegtes Widerspiel in dem Vor- und Zurücksetzen der Pfeifengruppen, durch die damit ein Rhythmus erzielt wird, der zum leitenden Kompositionsprinzip des neuen Typus wird. Erst im späten 18. Jahrhundert hat sich der Norden von diesem Typus gelöst. Der Süden und teilweise die Mitte (Silbermann) gingen den Weg eines Ornamentprospektes, der kein eigenständiges Dasein führte. Die in Ornamentfetzen zerrissenen Orgeln in Ottobeuren und Weingarten sind von höchster Schönheit, aber ohne ihre Rokokoumgebung nicht vorstellbar. Was dann im Propekt folgte (Holzhey, Courtain) war die anhebende Winterstarre, die das endgültige Ende eines selbständigen Prospektdenkens bedeutete. Die ältesten ZeugenSpätgotische ZeitDie noch vorhandenen gotischen Prospekte gehen nicht über das Jahr 1450 hinaus. Von einer noch früheren Stufe der Prospektgestaltung kann man sich auf Grund der orgelgeschichtlichen Quellen eine Vorstellung machen. [1] Der im alten Orgelbau gebrauchte Ausdruck „Struktur\" schließt ein künstlerisches Moment in sich. Dies konnte im Pfeifenaufbau nur einen unbefriedigenden Ausdruck finden, solange diese Pfeifen in der natürlichen Reihenfolge derTöne, nach der Mensur geordnet, auf dieWindlade gestellt wurden. Denn dann boten die Schauseiten ein gar zu einförmiges Bild. Für die Positive und Portative ließ man es gelten. Aber für den Prospekt der „Großen Orgel\" disponierten „die lieben Alten\", wie Praetorius bemerkt, „Strukturen mit unterschiedenen—————————— [1] . Neues Quellenmaterial über die gotische Orgel bei Rücker und Vente. – Für gotische Orgeln in Schweden bieten Material: C. F. Hennerberg, Die schwedischen Orgeln des Mittelalters (III. Kongress der Internationalen Musikgesellschaft) Wien 1909. – Bertil Wester, Gotisk Resning i Svenska Orgelar, Stockholm 1936.-11-