Ägidienkirche, Lübeck (1626) und im Dom zu Minden (Westf). Sie leiten die klassische Zeit des Barockprospekts ein, die, anknüpfend an Vorbilder der Spätgotik, einen Typus im Pfeifenaufbau entwickelt, der in einem großen Teile von Nord- und Mitteldeutschland sowie im nördlichen Holland während des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts vorherrscht. Dieser„Hamburger Prospekt\" erscheint so hervorragend, weil er über das Intermezzo der Renaissanceprospekte hinweg gotische Formkräfte weiterentwickelt. Die harmonische Glätte der Prospekte von Konstanz und Helmstedt fStephanikirche), die starren Fassaden von Freiburg, Stendal, Wolfenbüttel (St. Johann) sind überwunden, sie erscheinen trocken angesichts der drängenden Bewegung, der strömenden Pathetik dieser barocken Pfeifenstrukturen Scherers und seiner Nachfolger. Denn eine Fülle von Fäden zieht sich nun von Scherer zu dem abschließenden Vertreter dieser Entwicklung, Arp Schnitger (1648 – 1719) [1]. Kein Orgelbauer des Jahrhunderts hat so starrköpfig den geschilderten Prospekttypus weitergepflegt wie Schnitger. Im Verlauf der 75 Jahre, die zwischen der Ägidienorgel und der Domorgel zu Lübeck liegen (1624 – 1699), hat sich im Aufbau des Prospekts nichts verändert. Hatte sich nicht die Modeform des Ornamentes inzwischen vom Ranken- und Beschlagwerk zum Akanthus entwickelt, so wäre die Übereinstimmung vollkommen. In dem nun nicht mehr bescheidenen, sondern jähen Vorspringen der Spitztürme, die sich schließlich bei Schnitger noch über das Maß des runden Mittelturmes gleichsam drohend vorrecken (St. Jakobi, Hamburg) offenbart sich aufs stärkste wieder die unruhige Linienkunst und der gespannte Ausdruck der Spätgotik, deren Formwille, eine Zeitlang unterdrückt, bereits in den frühbarocken Orgelprospekten von neuem durchbricht. Seit der Lübecker Marienorgel sind nicht solche mächtigen Prospekte errichtet worden wie jetzt von etwa 1600 an. Die Orgel ist wieder, wie schon einmal in gotischer Zeit, auf demWege, das königliche Instrument zu werden, und Freude——————————[1] Zwischen Scherer und Schnitger vermitteln die Prospektschöpfungen des Konrad Abbt in Hildesheim, Dom 1616, der Orgelbauerfamilie Kröger in Oldenburg, St. Lamberti 1635, Celle, Stadtkirche 1653 und des Berend Huess in Glückstadt, Stadtkirche 1661 und Stade, St. Cosmaekirche 1669. Alle diese Orgelbauer arbeiten in den genannten und einigen anderen Orten und stehen z.T. in verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander.-24-