Landesfremdheit an sich. 1623 baute Gottfried Fritzsche aus Sachsen eine Orgel in die Marienkirche zu Wolfenbüttel, 1615 Esaias Compenius die Orgel in die Stadtkirche zu Bückeburg. Beide Kirchen waren zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstanden, mit gotischem Grundriß, aber im Geschmack des Frühbarock ausgestattet. Orgelprospekt, Altar u. a. waren beim Bau mit entworfen und durften kein stilistisches Eigenleben führen. Die Orgelbauer mußten sich den gegebenen Verhältnissen anpassen. ln Wolfenbüttel hatte sich die Orgel dem westlichen Gewölbebogen einzufügen. Daher der etwas weitschweifig und unklar gegliederte Prospekt, der mehr die horizontale als die vertikale Linie betont. Die Emporenbrüstung war für Wappenschilder vorgesehen, so daß das sonst übliche Rückpositiv sich nur als schüchternes Brustpositiv bemerkbar machen konnte. In Bückeburg erhielt die Orgel die innenarchitektonische Aufgabe, die Ostseite (!) des Mittelschiffes abzuschließen, da im Westen der prunkvolle Stuhl des Erbauers der Kirche, des Grafen Ernst, vorgesehen war. Compenius konnte sich bei dem Ausbau seines Prospektes nur ganz im allgemeinen nach dem üblichen Schema richten. Spitztürme und kleine Flachfelder hätten sich in der klassischen Wohlräumigkeit dieser Kirche störend ausgenommen. Deshalb bleiben seine Rundtürme maßvoll, die Mitte ist flächenhaft und ganz höfische Wandarchitektur, von prachtvollem Ornament belebt. [1] Ähnlichen Gesichtspunkten unterlagen Orgeln, die in den Privatkapellen oder Gemächern fürstlicher Musikliebhaber aufgestellt wurden. Das Ornament drängte hier vor und beschränkte den traditionellen Pfeifenaufbau auf zwei oder drei schlichte Pfeifenfelder (Compenius-Orgel in Schloß Frederiksborg).[2]——————————[1] Vgl. R. Bruck, Ernst zu Schaumburg, Berlin 1917.[2] Wappenschilde und Figurenschmuck spielen bei den fürstlichen Kapell-Orgeln eine wichtigere Rolle als die Pfeifen. Vgl. für Frederiksborg: Th. Schneider, Die Orgelbauerfamilie Compenius (Archiv für Musikwissenschaft II 1937). – Die Orgel für die Schloßkapelle des Osnabrück-Verdener Bischofs Philipp Sigismund in Rotenburg (1608; von H. Scherer ?) wahrt zwar im Pfeifenaufbau das bekannte Schema: mittlerer Rundturm – seitliche Spitztürme, erhält aber seine künstlerische Bedeutung erst durch den plastischen und ornamentalen Schmuck des Hamburger Bildschnitzers Ludwig Munstermann. Vgl. M. Riesebieter a. a. O. S. 12 ff. – Die von Hans Scherer 1600 für den Grafen Simon zur Lippe gebaute Schloßorgel in Brake war ein Prunkstück „auf das zierlichste und lieblichste nach dem Augenschein.\" Vgl. A. Falkmann, Graf Simon VI. und seine Zeit, Band 2, S. 221.-26-