Eine in Norddeutschland vom allgemeinen Typus so stark abweichende Gestalt, wie sie die Orgeln der St. Martini- und St. Andreaskirche in Braunschweig aufweisen (1630,1634), erklärt sich wohl aus dem Umstande, daß ihr Erbauer, Jonas Weigel, aus dem deutschen Südostraum nach Niedersachsen kam [1] und einen ornamental aufgebauten Prospekt schuf, wie er in Norddeutschland erst 100 Jahre später Mode wurde: Im Vergleich zu den wenig älteren Geschwistern in Bremen und Kassel ist der Pfeifenaufbau der Türme und Felder nicht sehr großräumig, doch ausgewogen und zierlich. Im Oberwerk und Rückpositiv treten drei Rundtürme hervor, zwischen denen Spitztürmchen und Flachfelder eingeschlossen sind; Baßtürme fehlen. – Eine Sonderstellung in Norddeutschland nimmt auch der Prospekt der Klosterkirche in Lüne (bei Lüneburg) ein: Oberwerk und Rückpositiv sind im Aufbau wirkungsvoll entgegengesetzt, das Oberwerk mit rundem, das Rückpositiv – älteren Vorbildern folgend – mit spitzem Mittelturm, das Ganze von 14 Engelgestalten und reichem Ornament im Knorpelstil umgeben, am Prospekt die Jahreszahl 1645.Auch in den Ostseestädten wirkte sich die im übrigen Norddeutschland gepflegte Bauweise zum Teil noch aus. Die Prospekte der Orgel in St. Marien, Stralsund, 1659 von Hans Stellwagen, und der Domorgel in Cammin, 1665 von Michael Berigel aus Lüneburg, gehören noch in den hamburgischen Orgelbaukreis, begegnen sich aber bereits – etwa in der Anordnung der Flachfelder – mit stärker östlich orientierten Einflüssen. Diese haben wir unzweifelhaft in den grossen Danziger Prospektschöpfungen des 16. und 17. Jahrhunderts zu suchen. Vor allem wirkte die um 1580 entstandene Orgel von St. Marien, Danzig, vorbildlich bis in den baltischen Raum.[2] Ihre Schauseite gliedert sich in drei Rundtürme mit dazwischengelegten Flachfeldern, die wieder durch ein pilasterartiges Gebilde geteilt sind. Eine Weiterentwicklung, etwa durch seitliche Baßtürme, trat bei den nach dem Muster der Danziger Marienorgel gebauten Prospekten nicht——————————[1] L. Burgemeister a. a. O. S. CXXXIV. – O. v. Boehn, Der Celler Orgelbau im 15. – 17. Jahrhundert, Celle 1930, S. 42.[2] So für die Domorgel in Riga.-27-