Der OrnamentprospektGegen Ende des 17. Jahrhunderts setzt auf den großen Lebensgebieten der Politik, der Wissenschaft und der Kunst ein besonders deutlicher Wandel ein. Das Selbstbewußtsein der sich mündig fühlenden Wissenschaft, der Absolutismus staatlichen Lebens vereinigen sich mit den Leistungen der bildenden Kunst und der Musik, um den neuen Menschen der Aufklärungszeit zu formen. Ein neuer Bauwille, der besonders nach dem Westfälischen Frieden (1648) aufholen will, was begünstigtere Länder wie Italien voraushatten, verkörpert sich in den Schöpfungen von Andreas Schlüter, Balthasar Neumann, Pöppelmann und Dientzenhofer. Ihre Stilgesinnung, mit der der Individualismus des Zeitalters in den Schlössern und Kirchen geistlicher und weltlicher Herren eindrucksvoll zur Geltung kommt, durchdringt alle Zweige künstlerischen Schaffens. Neue Theorien und ihre praktische Durchführung treten an die Stelle überlieferter Gewohnheiten.Auch die Orgel wird vom Strom der neuen Zeit ergriffen und wandelt ihren Klang und ihr Kleid. Das Schwergewicht im Orgelbau verlagert sich seit dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts nach Mittel- und Süddeutschland und leitet einen Abschnitt in der Orgelgeschichte ein, den man als Silbermann-Epoche oder Romantik (im allerweitesten Sinne) bezeichnet hat.[1] Ein Meister wie Arp Schnitger erschien der zwischen 1710 – 1720 im Orgelbau aufkommenden Generation bereits als ein Unzeitgemäßer, obwohl er noch bis in das zweite Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts lebte und baute. Sein Festhalten an der überlieferten Werkorgel erschien altmodisch. Und——————————[Forts. von S. 35] können. daß Norddeutschland und die Niederlande im 16. – 17. Jahrhundert auf diesem Gebiete führend sind, während der Süden im ganzen zurücksteht. Ebenso unbestreitbar ist – das wird das folgende Kapitel im einzelnen belegen – der Vorrang der „süddeutschen Altstämme\" in den bayrisch-schwäbisehen geistlichen Herrschaftsgebieten auf dem Gebiete des Orgelprospektes im 18. Säkulum, während der Norden gleichzeitig epigonenhaft zurückbleibt (Sehlesien muß man teilweise zum Süden rechnen, da es bis zur Jahrhundertmitte kulturell von Österreich beeinflußt wird). Durch diese Betrachtungsweise wird man. wie Wörsching selbst bekennt, „deutscher Größe und Weite\" auf dem Orgelgebiete eher gerecht werden. Denn die Geschichte des Orgelprospektes wäre ohne den einen wie den anderen Landschafts- und Stammesanteil unvollständig. – Vgl. Jos. Wörsching, Der Orgelbauer Karl Riepp (Mainz 1940) S.VII – VIII, S. 2 ff.[1] Vgl. Mahrenholz, Gegenwärtiger Stand der Orgelfrage, a. a. O. S. 28.-36-