sagen: was die Orgelschauseite in allen diesen Schöpfungen an Eigenwert verlor, das gab der festliche Raum ihr hundertfältig wieder. Er war selbst zu einer erstarrten Musik geworden.Eine Steigerung war nicht mehr möglich. Nach diesem Rausch eines schrankenlosen Rokoko, das den Orgelprospekt in Ornamentfetzen zerrissen hatte, mußte eine Besinnung auf die Aufgabe des Orgelprospektes nicht nur zu größter Ernüchterung führen – der Ornamentprospekt zeigt darüber hinaus den Orgelprospekt als lebendige Kunstschöpfung am Ende seiner Möglichkeiten. Dieses merkwürdigste Gebilde abendländischen Kulturlebens ging nun seiner Auflösung entgegen.Das Ende des lebendigen OrgelprospektesIn der Geschichte des Orgelprospektes kann man von Anfang an eine eigentümliche Polarität beobachten: Auf die gotische Epoche, die den Prospekt zunächst als ein klares Zur-Schau-Stellen von Pfeifen und Lattenwerk erstehen läßt, ihn dann in der Spätgotik unter dekorativ-architektonischen Gesichtspunkten behandelt (Schwalbennest, Chororgel, Große Orgel), folgt mit Renaissance und Frühbarock eine Zeit, welche die selbständig durchgebildeten Teile der Werkorgel ausprägt. Im Spätbarock folgt ein Orgelprospekt, dessen Selbständigkeit in einer malerisch-dekorativen Gesamtwirkung untergeht. In jedem Falle hat also das Spiel mit dem Ornamental-Dekorativen eine Stufe des klar Umgrenzten zur Voraussetzung.[1]Mit Hilfe einer solchen Periodizitätslehre wäre auch die gegen Ende des 18.Jahrhunderts in der Geschichte des Orgelprospektes auftretende Veränderung scheinbar verständlich. Denn wieder setzt ein Umschwung vom Malerisch-Unklaren zu plastisch-architektonischen Formen ein. – Aber so einfach liegen diesmal die Dinge nicht. Was seit 1780 im Orgelprospekt geschieht, steht im Gegensatz zu allen vorangegangenen Wandlungen im Zusammenhang mit der völlig veränderten Stellung der Kirchenmusik und der Orgel im musikalischen ——————————[1] Vgl. H. Wölfflin, Kunstgeschichtliche Grundbegriffe, München 1921, S. 252.-44-