stärksten Symbolcharakter einer Orgelfassade verzichtete. Dieser als Eingangspforte zum Elysium-Paradies gedachte Säulenprospekt war nur noch eine frostige Allegorie, nicht mehr umgeben von musizierenden Engeln, sondern geschmückt mit dem „Genius der Kunst\".[1] Bezeichnenderweise begegnete sich nun diese Idee des pfeifenlosen Orgelprospektes in Frankreich mit der letzten Tendenz des Ornamentprospektes in Deutschland. In der Kirche mit dem genialsten Ornamentprospekt, in Ottobeuren, zog Karl Riepp, wenn Wörsching hier recht vermutet,[2] ebenfalls die letzte Konsequenz, die in dieser Art von Prospekt noch möglich war: der Prospekt mußte, um ganz Ornament sein zu können, auf Pfeifen verzichten. Riepp, von dem französischen Vorbild angeregt,[3 plante, in die ornamental-dekorative Inneneinrichtung Ottobeurens eine große Orgelanlage ohne Pfeifenprospekt zu versetzen. Der Entwurf ist nicht ausgeführt worden; aber er zeigt deutlich, wohin die Entwicklung führte.Man kam so von zwei Seiten zum pfeifenlosen Prospekt: Der Ornamentprospekt sah in ihm eine letzte Steigerung und war bereit, die über dreihundertjährige Verbindung von Pfeife und Ornament grundsätzlich aufzugeben. Auch die Aufklärung verzichtete auf das Symbol der Pfeife, weil sie den Prospekt unter dem Einfluß einer angeblich allgemein gültigen Kunsttheorie entwarf und ausführte. In beiden Fällen war es für diese neue Orgel charakteristisch, daß klingendes Werk und Prospekt fortan ihre eigenen Wege gingen, daß zwischen dem Gesicht und dem Werk selbst keine sinnvolle, lebendige Verbindung mehr bestand.Diese Entwicklung war gewiß originell und auch zukunftweisend. Sie beschränkte sich nicht mehr auf die Orgel in der Kirche, sondern führte aus der gewohnten Umgebung hinaus in die Welt, in die Musikhalle, in den Konzertsaal. Die Aufklärungszeit ist recht eigentlich die Geburtsstunde der modernen Konzertorgel, die mit der alten Kirchenorgel nur noch den Namen gemeinsam hat. Der Prospekt einer Konzertorgel darf, ja muß unter Umständen ganz——————————[1] F. Raugel, Die Domorgel von Toul, III. Auflage, Mainz 1946, S. 5 – 6.[2] J. Wörsching a. a. O. S. 223 ff. – H. Meyer, Karl Joseph Riepp, Kassel 1938, S. 97.[3] Wörsching, a. a. O. S. 97.-46-