unabhängig vom klingenden Instrument ausgeführt werden. Er hält während des 19. Jahrhunderts noch an historischen Vorbildern fest, entwickelt sich dann zum Fantasieprospekt und verzichtet schließlich auf die Pfeifen völlig.[1] Das lebendige Prospektdenken war zu Ende. Allen Orgeln, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts weiterhin mit Pfeifenprospekten entstanden, ist diese Beziehungslosigkeit zwischen dem inneren Werk und der äußeren Gestalt eigentümlich, und es war ganz folgerichtig, wenn einige Orgelbauer – vor allen Schulze-Paulinzella – fortan bei Neubauten den (alten) Prospekt stumm ließen. Dieser hatte in der Tat über den Aufbau und die Eigenart des dahinterstehenden Werkes nichts mehr zu sagen.[2] Wenn trotzdem bei Kirchenorgeln in der Folgezeit der Pfeifenprospekt beibehalten wurde, so sind zwei Gründe als maßgebend anzusehen: die überlieferte Vorstellung, daß eine Orgel Pfeifen im Prospekt haben müsse, war zu allgemein verbreitet; sodann geriet der Orgelprospekt seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts unter den Einfluß historischer Stile. Und wie stark die Überlieferungen sich mit dem künstlerischen Wollen des Klassizismus etwa seit 1790 – wobei zugleich die Stilformen des Zopfes (Louis-Seize-Stil) und des Empire einbegriffen seien – durchdrangen, lehrt das Beispiel zweier Orgelbauer vom Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts: Joh. Nepomuk Holzhay und Jacob Courtain. Beide schufen Werke von bedeutendem Format. Ihre Prospekte dagegen leiden an den oben genannten Spannungen. Für Holzhay sind die Prospekte in der Stiftskirche zu Rot und der Klosterkirche zu Neresheim charakteristisch, während sein Prospekt in der Klosterkirche zu Obermarchtal eine ältere Stufe vertritt. In Rot (Hauptorgel und Chororgel) herrschen——————————[1] Vgl. folgende Beispiele von Prospekten moderner Konzertorgeln: Gewandhaus Leipzig, 1887 (Renaissance), Odeon, München 1906 (Klassizismus), Stefaniensaal, Graz 1908 (Neubarock), Hochschule für Musik, Stuttgart 1911 (ohne Pfeifen), Blaue Halle, Stockholm 1925 (ohne Pfeifen) – diese Werke sämtlich von E. F. Walcker & Co –, Festhalle, Karlsruhe, Kurhaus, Baden-Baden, beide ohne Pfeifen, von H. Voit & Söhne, 1915, Kurhaus, Wiesbaden (ohne Pfeifen), 1907, und Stadthalle, Magdeburg (moderner Werkprospekt), 1931, beide von W. Sauer.[2] Lange noch hielt sich der barocke Prospekt in gewissen Teilen der Niederlande. So bei den Orgelbauten der Söhne und Enkel Arp Schnitgers, der Orgelbauer' A. A. Hinz, Freytag, Lohman, Timpe, Chr. Müller, H. H. Bätz. Das Rückpositiv hielt sich dort bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts. Beispiele: Leens, Appingadam (1736), Haarlem, St. Bavo (1736), Bolsward, St. Martin (1781), Zuidbroek (1792), Groningen, Neue Kirche (1831, mit Baßtürmen und Rückpositiv!).-47-