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WORT UND RUNDFUNK

VON

ERNST HARDT


Die Eigentümlichkeit des Wortes als Begriffsbestimmung der Zwecktätigkeit und als Gefühlsoffenbarung der Ausdruckstätigkeit des Menschen verhaftet zu sein, macht es zur tönenden Kapsel unseres Gesamtwesens, das im Fühlen und Denken gleicherweise sein Leben äußert. Allein das Wort enthält den Menschen ganz.


Der Heutige vermag sich kaum noch eine Vorstellung zu bilden von der Macht, die das Wort in den Zeiten gehabt hat, in denen es unmittelbar vom Mund an das Ohr getragen wurde. Seine Reichweite war gewissermaßen das Maß für die menschlichen Gemeinschaften, die sich gründeten, und innerhalb dieser Gemeinschaften war es der Born alles kulturellen und zivilisatorischen Lebens. Der Mensch dieser vorgutenbergischen Zeiten lebte wahrhaft im lebendigen Wort, und das Wort selber konnte seine Gesundheit und seine Lebendigkeit alltäglich an dem allumfassenden Verständnis nachprüfen, dem es in der politischen Versammlung, im Gerichtshof, im philosophischen Debattierklub und im Theater begegnete. Gewiß, man konnte mit verabredeten Zeichen das Wort festhalten, und es gab Menschen, die diese Zeichen entziffern und ihren begrifflichen und gefühlsmäßigen Inhalt sich wieder lebendig machen konnten, aber das war eine Spezialistensache, die Volksgemeinschaft blieb im Bereich des tönenden Wortes, und wer ihren Kopf und ihr Herz gewinnen wollte, mußte gewissermaßen mit seiner Zunge denken und auf seinem Munde wie auf einer Flöte spielen können. Daher rührt die Logik und der Wohllaut der romanischen Sprachen. Die Erfindung der Buchdruckerkunst verwandelte in allmählicher Wirksamkeit die Hörgemeinschaft zur Leseeinsamkeit und die Sprechkultur zur Schreibkultur. Innerhalb jedes Sprachbereiches bildete sich das allen verständliche, alle erfassende Wort ins Spezialistentum um, es gab plötzlich Gebildete und Ungebildete, es entstand eine Amtssprache, eine Gelehrtensprache, eine Gerichtssprache, eine Literatensprache, und während der römische Eselstreiber den feinsten Wendungen in einer Rede Ciceros noch zugejauchzt hatte, veröffentlicht im Jahre 1930 das Reichsministerium des Innern ein Büchlein, in dem es alle Beamte wieder lehren will, Erlasse und Verfügungen so


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