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ORGANISATION DES DEUTSCHEN RUNDFUNKS

VON

KURT VON BOECKMANN


Als der Physiker du Moncel im Jahre 1878 in der Pariser Akademie der Wissenschaften den Phonographen Edisons vorführte, sprang der Akademiker Bouilland in höchster Erregung auf und beschimpfte den Vortragenden als Betrüger und Bauchredner. “Es ist in allen Zeiten unmöglich”, so erklärte der wütende Forscher, “das Wunder der menschlichen Stimme mit Apparaten aus Holz und Metall wiederzugeben!” Er sprach damit nicht nur seine eigene, sondern die allgemeine Anschauung der damaligen Fachgelehrten aus.


Als der Ministerialdirektor im Reichspostministerium Hans Bredow am 16. November 1919 in der Urania Berlin vor einer großen Anzahl von Vertretern der Behörden und der Presse den telephonischen Unterhaltungsrundfunk in einem Experimentalvortrag vorführte und dabei der drahtlosen Welle eine große Zukunft als universales Kulturinstrument prophezeite, war der Kreis der Gläubigen sehr klein, der der Skeptiker und Spötter aber erschreckend groß. Fünf Jahre später war Deutschland bereits mit einem dichten Rundfunknetz überzogen.


Das sind nicht nur zwei kulturhistorische Kuriosa, sondern auch sehr bezeichnende Symptome für die Art, in welcher sich geniale technische Neuerungen organisatorisch entwickeln. Das Grammophon stammt aus dem Laboratorium eines privaten Ingenieurs, der seine Erfindung, nachdem sie bei amtlichen Stellen keine Beachtung gefunden hatte, nur privatwirtschaftlich auswerten konnte. So ist die gesamte Grammophonindustrie bis heute mit geringen Einschränkungen sehr allgemeiner Art eine privatwirtschaftliche Angelegenheit geblieben. Der Rundfunk geht zwar gleichfalls auf die Entdeckung eines Privatmannes zurück, auf Heinrich Hertz und seine im Jahre 1888 zum ersten Male nachgewiesene Rundwirkung elektrischer Wellen, die praktische Auswertung dieser Entdeckung gelang aber erst während des Krieges in der Form eines neuen, zuerst telegraphischen, später auch telephonischen Nachrichtenmittels militärischer Art. Damit war beim Rundfunk sofort ein enger Zusammenhang mit der staatlichen Interessensphäre gegeben, der bis heute in Deutschland folgerichtig gewahrt worden ist.


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