- 365 -Kestenberg, Leo (Hrsg.): Kunst und Technik 
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MUSIK UND TONFILM

 VON

ROBERT BEYER


Der stumme Film kam sozusagen in aller Stille zur Welt. In seinen Anfängen spielte er die etwas abseitige und bescheidene Rolle einer Varietéattraktion. Da diese Gestalt seine zukünftigen Möglichkeiten vorerst verbarg, interessierten sich Kapital, Künstler und …ffentlichkeit nur wenig für ihn und seine Veranstaltungen. Die Geburt des Tonfilms vollzog sich unter einem andern Gestirn. Er kam gleich als Großindustrie in diese Welt. Die Propaganda begann für ihn zu arbeiten und mobilisierte das Interesse einer breitesten …ffentlichkeit. Monatelang wurde in Zeitungen und Zeitschriften über die technischen, kommerziellen und künstlerischen Fragen des Tonfilms diskutiert. Seine Aktualität wurde rasch in Schlagwörter umgeprägt. Seine Zukunftsaussichten wurden abtaxiert. Ansichten für ihn lösten reaktiv eine Opposition aus. Die Anteilnahme an seinem Wohl und Wehe umspannte eine Welt.


Während drüben der sprechende und singende Film Triumphe feierte, versuchten hier die Patentgewaltigen immer wieder seine Ankunft zu verhindern. Abgesehen von einer eigenen unzureichenden Produktion, die sich spärlich gab, waren wir in dieser Karenzzeit auf jene märchenhafte Berichte aus U.S.A. über ihn — angewiesen. In ihnen gingen Vorstellungen geschäftlicher und künstlerischer Art wundervoll durcheinander. Von etwa 1930 ab, so kalkulierte man drüben, könne die Produktion von stummen Filmen überhaupt eingestellt werden. Amerika verkündete nichts Geringeres als den Beginn einer neuen Ära in der Filmweltgeschichte. Natürlich gab es eine Opposition. (Charlie Chaplin...) Diese Nachrichten, die auf die hiesigen Verhältnisse zugeschnitten wurden, waren für uns die ersten Zeichen seiner machtvollen Gegenwart. Dann kam “Singing fool” — und die Saison des sprechenden und tönenden Films begann auch hier.


Schließlich wurde der Tonfilm in die heutige Zeit und ihre Problematik hineingeboren. In eine Zeit, in der man das Wort “Krisis” bis zum Überdruß hört. Soviel die Mode im einzelnen dabei mitsprechen mag, so tief begründet in der Sache ist dieser Sprachgebrauch doch.


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