DIE SCHALLPLATTE IM KULTURELLEN LEBEN UNSERER ZEIT

VON

WALTER GRONOSTAY

I

Eine jahrhundertelange Entwicklung mußte vorausgehen, ehe die Schallplatte, wie sie heute allgemein bekannt ist, definitiv in Erscheinung treten konnte.

Die Urform jeglicher Weltanschauung, die Religion, verdankte ihre Entstehung und ihren Bestand einer dem Menschen tief innewohnenden Angst vor der sicheren Vernichtung, dem Tode.

Dieser verzweifelten Gewißheit des Sterbenmüssens stellten die Menschen – um ständige Furcht hinlänglich kompensieren zu können – den Unsterblichkeitsgedanken gegenüber. Sicher ist dieser Wille, das eigene Leben mit rasender Kraft gegen das eherne Prinzip der Vergänglichkeit zu behaupten, ein Ansporn zur Entwicklung der mechanischen Musik und Lautreproduktion geworden.

Es scheint, daß die Menschen ihr eigenes Gedächtnis haßten, da es nicht imstande war, Eindrücke in derselben Frische ihrer Empfängnis bewahren zu können. Sie zwangen sich selbst und andere dazu, das von ihnen aufgestellte Prinzip der Unvergänglichkeit mehr zu achten als die Tatsache der Vergänglichkeit.

So durfte es nicht zugegeben werden, daß ein gestorbener Mensch vergessen wurde. Das Gedächtnis des Toten wurde zähe gepflegt. Leichensteine und Pyramiden zeugen von diesem Bedürfnis, dem Irdischen unrecht, dem Ewigen recht zu geben.

So durfte es nicht zugegeben werden, daß ein schönes Erlebnis – das Bild einer Landschaft vielleicht – im wässerigen Konservierungsspiritus des Gedächtnisglases aufquoll und an Schärfe der Kontur verlor. Es entstand das Bildnis.

So durfte es nicht zugegeben werden, daß die Heldentat vergessen wurde. Ihr Gedächtnis pflegte man in Heldengesängen.

Noch heute kann beobachtet werden, daß sich Menschen nur ungern von noch so wertlosen Andenken trennen wollen. Grund dieses