- 86 -Kietz, Nicola: Musikverstehen und Sprachverstehen 
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Untersuchungen weitest-gehend nachweisen, daß das musikalisch-syntaktische Wissen entsprechend der Konstituentenstruktur seiner Syntax hierarchisch aufgebaut sein muß,

Dies zeigte sich vor allem daran , daß Hörer für einen Vergleich musikalischer Einheiten, die zeitlich nah beieinander waren, wesentlich mehr Zeit benötigten, wenn diese Einheiten nicht gleichzeitig auch syntaktisch nah waren, d.h. nicht demselben Segment auf der nächst höheren Ebene der Hierarchie angehörten.

d.h. daß es kognitive Segmentierungskriterien bereitstellt, die ein Erkennen von Motiven, Phrasen, etc. ermöglichen. Wenigstens in dieser Hinsicht haben sich die unfundierten Schlußfolgerungen von Sundberg/Lindblom als richtig erwiesen, denn auch ihre Syntax basiert auf dem Hierarchieprinzip (s.o.).

Um sich ein Bild von den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Syntaxen für Kinderlieder machen zu können, wird Stoffers Theorie im folgenden in ihren wesentlichen Bestandteilen vorgestellt.
Durch eine sogenannte Distributionsanalyse werden zunächst - wie bei Sundberg/Lindblom - die syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen zwischen den musikalisch-syntaktischen Einheiten von 71 deutschen Volks- und Kinderliedern bestimmt. Für die sich ergebenden 8-, 10, 12- und 16-taktigen hierarchisch gegliederten Periodenstrukturen wird dann ein Regelsystem entworfen, das genau solche Strukturen generieren kann. Durch drei stark an Chomskys gTG-Konzept angelehnte Regeltypen wird die Struktur ebenenweise, ausgehend von der höchsten Ebene, abgeleitet. Die transformationellen Ersetzungsregeln (TE-Regeln) sorgen für die vertikale Gliederung, d.h. benachbarte Einheiten einer Ebene werden auf der nächstniedrigeren Ebene weiter untergliedert. Dabei wird gleichzeitig durch Transformationsregeln (T-Regeln) die strukturelle Verwandtschaft der auf einer Ebene benachbarten Segmente (Wiederholung, Umkehrung, Sequenz, etc.) bestimmt. Auf der niedrigsten Ebene erhält jeder Taktschlag einen Betonungsrang gemäß seines metrischen Gewichts. Zuletzt kommen die Ersetzungsregeln (E-Regeln) zum Einsatz, die die Segmentklassen durch Töne und ihre harmonischen Funktionen ersetzen. Wie die anderen Regeltypen sind auch sie kontextsensitiv, d.h. in bestimmten Kontexten werden nur solche Harmonien und Töne abgeeitet, die dort aufgrund der Distributionsanalyse erlaubt sind.
Eine schematische Übersicht über die Funktionen der Regeltypen folgt in Abbildung 31:


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