- 139 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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von Klängen übermittelt werden, wie beispielsweise die kulturübergreifende Existenz von Wiegenliedern beweist. Die Wirkung von Musik ist dabei neben anderen Parametern auch durch ihre zeitliche Gestaltung beeinflusst, die nachweislich dazu in der Lage ist, Körperrhythmen zu verändern:

Die Fähigkeit des Rhythmus, muskuläre Spannung- und Entspannungsvorgänge zu synchronisieren, kommt schon in Marsch- und Tanzmusik oder auch in Arbeitsgesängen zum Tragen. Sie fixieren den Organismus in Bewegungsabläufen und entziehen ihn damit bewussten Entscheidungsprozessen. Aber die Wirkung des Rhythmus geht noch wesentlich über die Koordination sichtbarer Bewegungen hinaus, denn durch äußere akustische Taktgeber können unbewusste, periodisch ablaufende vegetative Funktionen – z. B. Atmung, Puls, Blutkreislauf und die elektrische Aktivität des Gehirns – in hohem Ausmaße beeinflusst werden (Hesse 2003, S. 51; vgl. auch Harrer 1982, S. 39ff.).

Die kommunikative Funktion von Musik

Eckart Altenmüller weist darauf hin, dass das Phänomen Musik seinen Ursprung in den so genannten Trennungsrufen der frühen Menschen haben könnte (vgl. Altenmüller 2001, S. 31). Diese Trennungsrufe dienten dem Zweck, den Kontakt zwischen Mutter und Kind trotz räumlicher Entfernung herzustellen. »Ruft die Mutter das Baby, stellen sich dessen Haare auf und wärmen das Kind.« (ebd.). Hier wird eine zwar nicht-sprachliche, aber dennoch kommunikative Funktion von Musik beschrieben. Sinngemäß teilt die Mutter ihrem Kind mit: ›Hab keine Angst, ich bin noch da!‹. Der Informationsgehalt von Musik ist also eher emotionaler Art, es werden weniger Sachinformationen übermittelt, sondern mehr Stimmungen und Gefühle übertragen. Auch Herbert Bruhn (1989) betont die verbindenden Elemente von Musik, Emotion und Sprache: für alle drei Bereiche ist von perzeptiven, kognitiven und affektiven Anteilen auszugehen (vgl. ebd., S. 92f.).

Sprache und Musik zeichnen sich also einerseits durch die Gemeinsamkeit des klanglich-zeitlichen Ablaufs und andererseits durch ihre kommunikative Funktion aus. Diese Gemeinsamkeiten stärken die Vermutung einer ähnlichen funktionellen Verarbeitung im Gehirn. Tatsächlich stützten frühe Läsionsstudien die Annahme gemeinsamer Lokalisation, weil Personen, die nach einer Hirnverletzung bzw. einem Schlaganfall in ihrer Sprache bzw. ihrem Sprachverstehen beeinträchtigt waren, häufig auch einen Teil ihrer musikalischen Fertigkeiten verloren.

Die Sprachzentren der linken Hemisphäre

Sprache wird bei den allermeisten Menschen »im Bereich der linkshemisphärischen hinteren Schläfenwindung« (Altenmüller 2001, S. 33) verarbeitet. Hier liegt das so genannte Wernicke-Zentrum, das maßgeblich für die Sprachwahrnehmung zuständig ist. Das Wernicke-Zentrum steht in enger funktionaler Verbindung mit dem so genannten Broca-Zentrum im unteren Stirnhirn, das die motorischen Anteile des Sprechens steuert.

Das Broca-Zentrum kann aus nahe liegenden Gründen seine Funktion als Initiator des Sprechens nur sinnvoll in Zusammenarbeit mit dem Wernicke-


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