- 171 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (170)Nächste Seite (172) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Taktgeber wie das Metronom nicht in der Lage. In diesen Fällen muss eine behutsame Heranführung an den regelmäßigen Grundschlag geschehen, in der Flexibilität eine entscheidende Rolle spielt. Denn alle beschriebenen Körperrhythmen, sei es die circadiane Periodik, Atem und Herzschlag oder EEG-Rhythmen, alle folgen einer ungefähren Regelmäßigkeit aber niemals einer maschinenmäßigen, unbeeinflussbaren Zeitrasterung. Auch die Zeitgestalten in der Musik richten sich nicht nach mechanischen, physikalisch-objektiven Richtlinien, sondern nach dem menschlichen Bedürfnis nach prägnanten Gestalten. Die Untersuchung von Gabrielsson (vgl. Abschnitt 6.1.3) zeigt sogar, dass Abweichungen von den ›Soll-Werten‹ Bestandteil künstlerischer Interpretation sind und von den Zuhörenden als angenehm und angemessen empfunden werden. Im Übrigen ist das Metronom – abgesehen von seiner ›unmenschlichen‹ Genauigkeit – in seiner geschichtlichen Entwicklung nicht dafür vorgesehen gewesen, rhythmisch Unsicheren eine Übehilfe zu sein, sondern sollte allein dem Zweck dienen, das Tempo von Kompositionen bestimmen und fixieren zu können.

Das Metronom als Hilfsmittel in musikalischen Übeprozessen: Sinn oder Unsinn?

Motivation für die Entwicklung verschiedener Apparaturen zur Bestimmung des Grundschlag-Tempos eines musikalischen Vortrages war das Bedürfnis, die Ausführung von Kompositionen an eine Tempovorschrift zu binden, die über das direkte Miterleben hinaus an andere Menschen an anderen Orten vermittelbar sein sollte (vgl. Kolneder 1980, S.  154). Gleichzeitig existieren jedoch auch Belege für eine frühe historische Praxis, die Zeitmesser in den Übeprozessen von Musizierenden einzusetzen.

Thomas Mace z. B. beschreibt in seinem »Musick’s Monument« (1676) ein Pendel, das im Musikzimmer an der Decke befestigt werden sollte und dessen Schnur nach Belieben zu verkürzen war. Er nennt sein Gerät ›Time-Keeper‹ und empfiehlt es beim Üben. (Kolneder 1980, S. 154).

Diese Möglichkeit des Metronom-Einsatzes hat sich bis heute erhalten: rhythmisch unsichere Lernende sollen durch die regelmäßigen Clicks angehalten werden, ihr eigenes Tun entsprechend regelmäßig zu gestalten (vgl. beispielsweise Reuter/Messmer 2004, S. 58).

Tatsächlich lässt sich mit dem Metronom überprüfen, ob ein Musikstück in einem durchgängig stabilen Tempo musiziert wird. Hier handelt es sich um eine Kontroll-Funktion, der Zeitmesser wird nur temporär eingesetzt.

Das Metronom kann zur Kontrolle der Tempo-Stabilität (temporär) eingesetzt werden.

Eine andere oft angewandte Methode ist es, mit Hilfe des Metronoms das Tempo einer Ausführung langsam aber nachhaltig zu steigern (vgl. Klöppel 1997, S. 52; Varró 1958, S. 55). Die Folge der Clicks wirkt im Sinne des oben beschriebenen Magnet-Effekts leistungssteigernd auf die Musiziergeschwindigkeit.

Im Sinne eines Magnet-Effekts kann das Tempo des Metronoms eine (allmähliche) Temposteigerung der Musizierbewegungen bewirken.


Erste Seite (i) Vorherige Seite (170)Nächste Seite (172) Letzte Seite (264)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 171 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus