Allen diesen Aspekten werden die folgenden Kapitel nachspüren. Kapitel 4 geht der Bedeutung von Rhythmus für den menschlichen Körper und die Körperbewegung nach, Kapitel 5 thematisiert die besondere Rolle des Rhythmus in der Sprache, Kapitel 6 widmet sich der psychischen Dimension von Zeit und Rhythmus, Kapitel 7 liefert die neurobiologischen Grundlagen.
Rhythmus ›im engeren Sinne‹Wird der Rhythmus im engeren Sinne interpretiert, geschieht das in Abgrenzung zum Begriff Metrum. Dabei werden verschiedene Aspekte des Begriffspaares betont (vgl. Seidel 1993, S. 11ff.). So meinen Terentianus Maurus (2. Hälfte 2. Jh.) und Marius Victorinus mit Rhythmus die elementare Ordnung der Zeiten, mit Metrum die Dimension größerer Einheiten wie der Zeile. Aristoteles und Aristides Quintilianus (2. oder 3. Jh.) unterscheiden Metrum vom Rhythmus wie das Teil vom Ganzen, eine andere Umschreibung ist die vom Metrum als Regel und Rhythmus als Materie, zugeschrieben beispielsweise Varro, Fabius Quintilianus (ca. 30 bis ca. 96 n. Chr.), Augustinus (354–430) und Isidor (ca. 560 bis 636). Zum Teil ist auch der Vers in die Definitionen mit einbezogen; während Rhythmus als unbegrenzte, einförmige Bewegung gleicher Pedes gilt, ist das Metrum begrenzt: Das Metrum basiert auf dem Rhythmus. Es teilt ihn durch regelmäßige Schlüsse (clausulae) ab. Ist der Rhythmus grundsätzlich unbegrenzt, so ist das Metrum durch eine bestimmte Zahl gekennzeichnet. Sie bestimmt die Anzahl der Pedes oder Silben, die ein Metrum bilden. […] Der Vers endlich ist wie das Metrum regelmäßig begrenzt, aber darüber hinaus an bestimmten Orten innerlich unterteilt. […] Diese Definition des Rhythmus und des Metrum erklärt den oft wiederholten Satz, jeder Vers sei ein Metrum und ein Rhythmus, jedes Metrum sei ein Rhythmus, aber niemals umgekehrt ein Rhythmus ein Metrum oder ein Metrum ein Vers (Seidel 1993, S. 12). Im Übrigen können die Zeiten und Füße selbst auch als Rhythmus bezeichnet werden. Abgesehen von den zahllosen Spezialbedeutungen in verschiedensten Zusammenhängen soll hier die Sichtweise von Metrum als einer übergeordneten, die Bildung größerer und genau bemessener Formteile betreffenden Instanz herausgehoben werden; dieser Blickwinkel ist für spätere Epochen der Musikgeschichte am bedeutsamsten.
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