Musik ist – genau wie Sprache – ein klangliches Phänomen, das sich innerhalb von
Zeitverläufen abspielt. Die konstituierenden Elemente überschneiden sich. Dies weist eine
Untersuchung von Carol Krumhansl und Peter Jusczyk (1990) nach: Säuglingen im Alter
von 4 (1 ∕2) bzw. 6 Monaten wurden Menuette von Mozart vorgespielt, die entweder an
sinnvollen oder an unorganischen Stellen mit kleinen Pausen versehen waren. Beide
Altersgruppen zeigten durch längeren Blickkontakt zur Schallquelle eine eindeutige
Bevorzugung der sinnvoll gegliederten Musikbeispiele. Eine wichtige Rolle in der
Beurteilung der Stimuli spielten die Töne, die dem Einschnitt vorausgingen. In den von
den Kindern präferierten Beispielen erwiesen sich drei Faktoren als bedeutsam:
die letzten drei Töne vor der eingefügten Pause hatten eine fallende Tendenz,
die Tondauer verlängerte sich und es traten in der Zweistimmigkeit häufiger
Oktaven auf. Dies zeigt die Parallelen zu den akustischen Korrelaten der Sprache:
auch dort verdeutlichen fallende Intonation und Silben-Längung die segmentale
Organisation.
Der beschriebenen Parallelen wegen ist davon auszugehen, dass Erkenntnisse, die die Sprachentwicklung und die Sprechsteuerung betreffen, auch auf den Erwerb musikalisch-rhythmischer Fertigkeiten und die Musikausübung anwendbar sind. Die folgenden Thesen beziehen sich auf die obigen Ausführungen und stellen den Transfer zu Belangen des musikalischen Rhythmus her. Eine besondere Bedeutung kommt einer deutlichen Akzentsetzung im Sprechfluss zu: diese ermöglicht flüssige Gestaltung des Sprechens und sorgt andererseits für eine deutliche Orientierung nach innen und außen. Dieses gilt so auch für vokale oder instrumentale Äußerungen. Eine sinnvolle Betonungssetzung ist Grundlage ansprechender musikalischer Gestaltung, kann aber nicht automatisch erwartet werden. Die Unterrichtenden müssen Betonungsstrukturen musikalischer Äußerungen und den methodischen Weg dorthin genügend Aufmerksamkeit widmen.
Im Spracherwerbsprozess steht eine sinngebende Betonungsgestaltung nicht von Anfang an zur Verfügung, sondern stellt sich als Folge von Reifung ein.
Spracherwerbsstörungen gehen häufig einher mit motorisch-rhythmischen Schwierigkeiten. Im Musizieren spielen sowohl die Perzeption als auch die motorische Steuerung von Rhythmen eine bedeutsame Rolle. Hat eine Schülerin oder ein Schüler nun Probleme im Bereich der zeitlich-musikalischen Gestaltung (oder es ist vielleicht sogar bekannt, dass Sprachbeeinträchtigungen vorliegen), ist es umso wichtiger, nicht nur den Schwierigkeitsgrad der zu erarbeitenden Rhythmen gering zu halten, sondern auch die motorischen Anforderungen vorsichtig zu dosieren.
Die oben genannte Untersuchung von Müller weist nach, dass professionell Musizierende aufgrund ihrer rhythmischen Kompetenz auch Vorteile in der Sprachverarbeitung haben. Bei aller Vorsicht vor einer Überbewertung der Ergebnisse kann der Schluss gezogen werden, dass aktives Musizieren günstigen Einfluss auf das |